ANTIRASSISMUS – SOS MITMENSCH

Wie der „Mohr im Hemd“ zum Kalauer mutiert oder über den Sinn einen „Lumumba“ zu trinken

Zahlreiche Menschen leisten, manche bereits über viele Jahre und in aller Stille Großartiges in der Antirassismusarbeit und bei der Unterstützung von MigrantInnen. Sie arbeiten dabei oft in bzw. mit Interessengruppen zusammen.

SOS Mitmensch ist ein solche Gruppe, die sich für die Gleichberechtigung und Chancengleichheit aller Menschen einsetzt. Erst kürzlich hat sie die Bezeichnung „Mohr im Hemd“ für einen Schokokuchen mit Schlagobers als rassistisch kritisiert. Leider wollen Herr und Frau Österreicher mehrheitlich von der rassistischen Konnotation des „Mohr im Hemd“ nach wie vor nichts wissen. Für sie ist er vor allem ein Stück Tradition, dass sie in dieser Form nicht missen möchten. Die Diskussion ist allerdings nicht ganz neu. In leicht abgewandelter Form wogte sie bereits im Sommer 2009 durch Printmedien und Blogs. Es ging damals um eine Eiskreation der Firma Eskimo unter dem Namen „Cremissimo à la Mohr im Hemd“.

Der „Duftende Doppelpunkt“ beschäftigte sich damals mit dem Thema unter dem Titel „Wird der Mohr im Hemd zum Gurkerl im Knie?“

Ohne Wenn und Aber

Erfolgreiche Antirassismusarbeit wird immer ohne Wenn und Aber an der Seite der von Rassismus Betroffenen stehen und gleichzeitig möglichst alle Menschen im Sinne einer antirassistischen Haltung sensibilisieren. Dazu muss man am jeweiligen Wissens- und Bewusstseinsstand der einzelnen Personen andocken und mit ihnen ins Gespräch kommen.

Wer meint, es sei dabei nicht erforderlich, auf die Probleme und Ängsten der Mehrheitsbevölkerung einzugehen und sie mit jenen von Rassismus Betroffenen zusammenzudenken, spielt letztlich den Kräften in die Hände, die unsere Gesellschaft nach dem Prinzip „teile und herrsche“ organisieren.

Damit eine antirassistische Grundhaltung ihren Weg in die Herzen und Köpfe möglichst vieler Menschen findet, müssen wir die Probleme im Zusammenleben umfassend ansprechen; ihre politischen und sozialen Wurzeln verdeutlichen, Lösungsansätze erarbeiten und uns auf einen Gedankenaustausch einlassen. Ob dies mit der Kritik an der Bezeichnung „Mohr im Hemd“ bisher gelungen ist, darf bezweifelt werden: So selbstverständlich die Forderung von SOS Mitmensch nach Umbenennung des „Mohr im Hemd“ für die einen ist, so sehr stößt sie bei anderen auf Widerspruch und viele, auch aufgeschlossene Menschen fragen sich „Haben die keine anderen Sorgen?“.

Beverley Allen-Stingeder, die Mühlviertler Berufsschullehrerin aus Sierra Leone, wurde Anfang dieses Jahres an die Spitze der SPÖ Ortsgruppe Puchenau bei Linz gewählt. Im Interview mit der Kronen Zeitung spricht sie mit viel Humor über ihr Engagement in der SPÖ, ihr Leben, die österreichische Migrationspolitik und ihre Erfahrungen in Oberösterreich. Unter anderem wurden ihr dei Frage gestellt, wie sie die Diskussion um die Abschaffung des „Mohren im Hemd“ findet. Ihre Antwort: „Wir haben sicher größere Probleme. Trotzdem denke ich, dass man auch Schokogugelhupf mit Schlagobers dazu sagen könnte. Es tut nicht weh – und wäre ein Anfang.“

Fair gegenüber der Mitte

Bei aller notwendigen Prioritätensetzung ist es verhängnisvoll, rassistisches Denken und die daraus resultierenden Probleme ausschließlich in den Reihen der Mehrheitsbevölkerung zu verorten. Oder gibt es beispielsweise zwischen den unterschiedlichen Ethnien, die in Österreich leben, keinen Rassismus? Erst indem die Probleme möglichst differenziert angesprochen werden, erhält der Antirassismus ein starkes Fundament und gewinnt an zusätzlicher Glaubwürdigkeit. Mittel- und langfristig stärkt das von Rassismus Betroffenen den Rücken. Letztendlich könnte es so auch gelingen, das (politische) Prinzip „teile und herrsche“ ein Stück weit auszuhebeln.

Katharina Klee, die Chefredakteurin von „Arbeit & Wirtschaft“ führte mit der Sozialanthropologin Christa Markom im Heft 11/2011 unter dem Titel „Die Mitte ist breit“ ein hochinteressantes Interview. Es schließt mit folgendem Statement:
„Es wird im Moment viel zu wenig auf die Mehrheit geschaut, auf die Mitte der Gesellschaft, wie die auf Migration schaut. Auf die ganz normalen Menschen, die nicht die Zeit haben, sich über diese Fragen den ganzen Tag den Kopf zu zerbrechen. Denen müsste man fair gegenübertreten, um zu sehen, was sind die Haltungen, wo kommen sie her, wo werden sie reproduziert und wo kann man ansetzen. Die Mitte ist breiter als ich am Beginn meiner Forschung dachte. Ich glaube, der Blick der Mehrheit auf die Minderheiten ist essenziell. Man kann nicht nur den Rechtsruck beklagen. Das zementiert nur Grenzziehungen, die ohnehin schon da sind. Rassisten oder Nichtrassisten? Ich glaube, da werden die vergessen, die eine zu Recht angespannte Situation erleben, in der sie nicht wissen, wie sie agieren oder denken sollen. Sie werden von allen Richtungen bombardiert mit Informationen, die sie verarbeiten sollen. Ich glaube fest, jeder Mensch kann sich jeden Tag entschließen, nicht rassistisch zu sein. Aber ich hatte auf diesem Weg sehr viel Unterstützung und Möglichkeiten. Viele haben das nicht, sie werden jeden Tag darin bestätigt Rassist zu sein.“

Aber noch einmal zurück zu SOS Mitmensch: Während unzählige Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen und im Mittelmeer verrecken, es in Österreich immer wieder zu willkürlichen Abschiebungen kommt und rassistisch motivierte Auseinandersetzungen stattfinden, treibt SOS Mitmensch den „Mohren“ aus den Gasthäusern.

Vom fahlen Schein des Lichtermeeres

Leider ist nicht nur die Prioritätensetzung von SOS Mitmensch manchmal schwer nachzuvollziehen, sondern auch die Mobilisierungsfähigkeit der Antirassismusbewegung in Österreich generell über die Jahre kontinuierlich gesunken. Das Lichtermeer der bis zu 300.000 Menschen aus dem Jahre 1993 sendet nur mehr einen fahlen Schein bis in unsere Tage.

Im Rahmen ihrer Kampagne (2012) hat SOS Mitmensch unter dem Titel „Stopp dem falschen Gerede vom ‚Migrationshintergrund'“ eine Petition ins Netz gestellt. Es bleibt abzuwarten, wie viele Menschen diese Petition unterzeichnen werden. Seit dem Start vor rund 14 Tagen haben an die 700 Menschen unterschrieben.

Wer sich die Frage stellt, bei wem man von Migrationshintergrund spricht, erkennt schnell dessen stigmatisierende Bedeutung. Selten bis gar nicht hört man beispielsweise vom „Migrationshintergrund eines in Österreich lebenden Schweizer Geschäftsmannes“.

Der Publizist Richard Schubert schreibt in seinem Beitrag „Wie Othello ins Hemd kam oder Der Hintergrund des Migrationshintergrunds“ („DerStandard“ vom 7./8./9. April 2012) unter anderem Folgendes: „Der Migrant ist zu Lebzeiten eingewandert, seine Kinder und Enkel sollen aber zu deren Lebzeiten daran erinnert werden, dass die Zuwanderung ein vererbtes Merkmal ist wie zugewachsene Augenbrauen oder der Hang zum Bemalen von Ostereiern.“

Thomas Keene in Othello 1884 Poster

„Othello im Hemd“ versus „Lumumba“

Und wo ist nun zu guter Letzt der „Mohr im Hemd“ geblieben? Er firmiert in der Zwischenzeit beim Szenewirt Hanno Pöschl als „Othello im Hemd“. Damit ist die Diskussion über sprachliche Rassismen leider endgültig in die Welt des Kalauers abgeglitten.

Getoppt wird der „Othello im Hemd“ vielleicht noch vom Journalisten Simon Inou und seiner 2011 öffentlich gemachten Kritik am „Lumumba“. Er meint, wer einen „Lumumba“ bestellt, bestellt sein Quantum Vorurteile gleich mit. (Irene Brickner „Rassistisch trinken“) Der „Lumumba“ ist ein Longdrink, bestehend aus heißem oder kaltem Kakao mit einem Schuss Rum, manchmal zusätzlich mit Schlagobers. Benannt ist das Getränk nach Patrice Lumumba, eine der Lichtgestalten der afrikanischen antikolonialen Bewegung und erster Ministerpräsident des unabhängigen Kongo.

„Tot hat Lumumba aufgehört, Person zu sein, um Afrika zu werden…“
(Jean-Paul Sartre in „La pensée politique de Patrice Lumumba, Paris 1964)

Patrice Lumumba

Patrice Lumumba (1925 – 1961), der Informationsminister Maurice Mpolo (1928 – 1961), und Joseph Okito, der Vizepräsident des Senats, wurden gefoltert. Danach erschienen seine politischen Gegner – Tschombé, Kimba und belgische Politiker -, um sie zu beschimpfen und sie anzuspucken. Am 17. Jänner 1961 wurden sie von katangischen Soldaten unter belgischem Kommando erschossen und zunächst an Ort und Stelle vergraben. Um die Tat zu vertuschen, wurden die Leichen wenige Tage später exhumiert. Lumumbas Leichnam wurde zerteilt, mit Batteriesäure aufgelöst, die von einer belgischen Minengesellschaft bereitgestellt worden war, und schließlich verbrannt. Via Wikipedia

Ich vermute, dass viele, die sich einen „Lumumba“ schmecken lassen, keine Ahnung vom Hintergrund des Namens haben. Genau dort sollten wir ansetzen, indem wir uns des Getränkes bedienen, um uns an Patrice Lumumba zu erinnern und ihn und seinen Kampf für ein freies Afrika zu würdigen.

Georg Schober

1 Gedanke zu „ANTIRASSISMUS – SOS MITMENSCH“

  1. Das Heft 11/2011 der Arbeit & Wirtschaft hat den Schwerpunkt „Alles was rechts ist“. Unter anderem mit folgenden Beiträgen: „Faken statt Hetze“ / „Aus der Mitte nach rechts“ / Wörter können weh tun / Fremde Nachbarn… Alle Beiträge sind im Archiv zu finden. http://www.arbeit-wirtschaft.at/

Schreibe einen Kommentar