Wir haben unsere LeserInnen anläßlich des 2. Geburtstages des „Duftenden Doppelpunktes“ eingeladen, ihre Gedanken und Erinnerungen zum und über den 1. Mai zu veröffentlichen.
Wir erhielten neben einer Reihe von Gedichten, einen kleinen Text, in dem sich die persönlichen Erinnerungen an die Ereignisse rund um den 1. Mai in einer niederösterreichischen Gemeinde widerspiegeln, und zwei theoretische Beiträge geschenkt. „Von Mai zu Mai“ befaßt sich mit der aktuellen Situation der österreichischen Gewerkschaftsbewegung und Sozialdemokratie. „Der 1. Mai kann ein hilfreiches Ritual sein, um Menschenwürde und globale soziale Rechte öffentlichkeitswirksam zu thematisieren“ widmet sich vor allem historischen beziehungsweise globalen Aspekten. Beide Beiträge verbinden ihre Inhalte mit einer Aufforderung zum aktiven Handeln.
Abschließend haben wir eine kleine Auswahl von Gedichten aus der Frühzeit des 1. Mai und einige weiterführende Links in das Blog gestellt.
Die Bilder zwischen den einzelnen Beiträgen sind die Titelbilder von Maifestschriften der Sozialistischen Partei Österreichs. Die Originale sind Teil des Bestandes der Sozialwissenschaftlichen Bibliothek der Arbeiterkammer Wien:
1. [erster] Mai … , Maifestschrift d. Sozialistischen Partei Österreichs, Wien. Teilw. u.d.T.: Maifeier. Maischrift. Zukunftsmai. Mai-Festschrift.
Für alle, die es aus zeitlichen Gründen heuer nicht geschafft haben: Der 1. Mai 2008 wird Ihnen eine weitere Möglichkeit bieten, hier im Blog Texte zum Tag der Arbeit zu veröffentlichen. Der Anlaß ist im kommenden Jahr ein doppelt festlicher. Neben dem 1. Mai wird in diesen Tagen auch die Herausgabe der Anthologie mit den Beiträgen der GewinnerInnen des Literaturpreises „Der Duft des Doppelpunktes“ zum Thema Literatur der Arbeitswelt zu feiern sein.

der 2. mai
auch in diesem jahr
ist der 1. mai
am 2. schon wieder vorbei
und doch, lobbying-wahr:
demonstrierte interessen
werden weniger vergessen
h.jobst

Von Mai zu Mai
Im letzten Jahr musste die österreichische Gewerkschaftsbewegung und jede/r einzelne, die/der sich ihr verbunden fühlt, bittere Phasen der Enttäuschung, Erschütterung und Demütigung ertragen. Die BAWAG, als Arbeiterbank 1922 von Karl Renner gegründet, um die Gewerkschaftsbewegung und die Konsumgenossenschaften von den bürgerlich-kapitalistischen Banken unabhängig zu machen, war durch zugleich hochriskante, ethisch fragwürdige und inkompetent durchgeführte Geschäfte an den Rand des Zusammenbruchs geraten und konnte nur durch Hingabe von Vermögen der österreichischen Gewerkschaftsbewegung gerettet werden. Der ÖGB selbst war so durch die BAWAG-Affäre beinahe in den finanziellen Ruin getrieben worden und konnte sich seinerseits nur durch den Verkauf der Bank an ein vom US-Fonds Cerberus dominiertes Konsortium retten. Als Folge dieses (noch nicht ganz abgeschlossenen) Verkaufs waren nun gerade in den letzten Tagen sowohl BAWAG, als auch ÖGB neuerlich heftiger Kritik ausgesetzt: Allzu vorauseilend wurde dem Willen des künftigen Eigentümers entsprochen, die Konten kubanischer StaatsbürgerInnen in diskriminierender Form zu kündigen und damit ein Stück US-amerikanischer Außenpolitik zu exekutieren.
Vernichtung von Gewerkschaftsvermögen, Verlust der politischen Glaubwürdigkeit, Beeinträchtigung der Handlungsfähigkeit trafen die Gewerkschaften hart – gerade in einer Phase, wo die ArbeitnehmerInnen gegen den anhaltend rauen Wind der neoliberalen Globalisierung mehr denn je den Schutz starker Gewerkschaften brauchen.
Höchste, aber auch mittlere Funktionärinnen und Funktionäre sind hauptverantwortlich für diese fatale Schwächung der Gewerkschaften. Wir alle müssen uns aber fragen, warum gerade in den Gewerkschaften die demokratische Entscheidungs- und Kontrollkultur so schlecht entwickelt ist, warum auch in einer Gewerkschaftsbank die Sensibilität gegenüber fragwürdigsten kapitalistischen Finanztransaktionen (wie sie zeitweise von der BAWAG betrieben wurden) so gering ist, warum all die Jahre nicht einmal Ansätze zu einer ethisch orientierten Geschäftspolitik in der BAWAG realisiert wurden.
Am 1. Mai 2006 beklagte Alfred Gusenbauer, dass das „Gift des Neoliberalismus“ auch in die eigenen Reihen eingedrungen sei und Rudolf Hundstorfer sprach von „kriminellen Managern“ und von Gewerkschaftsfunktionären, die sich „unwürdig verhalten“ haben. Die Chancen für einen Wahlsieg der SPÖ im Oktober 2006 schienen dahin.
Und dennoch: in den folgenden Monaten gelangen dem ÖGB immerhin erste Schritte zur Erneuerung und die Sozialdemokratie fand teilweise wieder zu ihrer Kampfkraft zurück. Der überraschende Wahlsieg am 1. Oktober ließ große Hoffnungen aufblühen – noch größer freilich war die Enttäuschung der Monate danach: Die Sozialdemokratie ist von einem überzeugenden Gegenentwurf zur Politik der letzten 6 Jahre noch weit entfernt. Sie scheint desorientiert, unentschlossen, nicht bereit für ihre Ziele ernsthaft zu kämpfen.
Der Erste Mai, in dem die frühen Jahre des Aufbruchs der ArbeiterInnenbewegung, ihre noch ganz unverbrauchten Ideale von Freiheit, Gleichheit und Solidarität jedes Jahr wieder und immer noch gegenwärtig sind, dieser Erste Mai wäre gerade heuer ein guter Anlass, die sozialdemokratischen Ziele wieder mit größerer Klarheit zu formulieren und den Kampf um ihre demokratische Durchsetzung mit größerer Verlässlichkeit und Entschlossenheit zu führen!
Michael Kollmer

Der 1. Mai – damit verbinde ich zwei Erinnerungen, beide aus der niederösterreichischen Gemeinde, in der ich aufgewachsen bin. Ich habe mich schon als Kind über den Weckruf des ARBÖ am Staatsfeiertag gewundert. Damit keine Missverständnisse auftreten – ich hätte auch den Weckruf des ÖAMTC oder des Fahrradvereins als eigenartig empfunden. Was – hab ich mich gefragt – bewegt Leute dazu, andere Leute an einem Feiertag, an dem man endlich ausschlafen kann, auch wenn er „Tag der Arbeit“ genannt wird, worüber sich schon genügend Texte lustig machen – was also veranlasst Leute dazu, an einem solchen Tag andere Leute so früh zu wecken? Um Karl Kraus und Robert Lembke zu kombinieren: Das Wort „Morgengrauen“ hat einen Beigeschmack von Wahrheit.
Außerdem erinnere ich mich an eine Aussendung des ÖVP-Obmanns, in der er sich lange darüber ausließ, dass der SPÖ-Vizebürgermeister am 1. Mai die Fahne trage, aber sonntags in die Kirche gehe. Dieser rächte sich dann in der nächsten SPÖ-Zeitung, wo er die Habsburger des Ausbeutens der Arbeiterklasse zieh. Bei beiden schien ein Weckruf dringend erforderlich.
Monika Bargmann

Jahreskalender
Am Tag der Rollkragenpullover
absurdes Theater
Am Tag der Fahne
kollektives Trinkgelage
Am Tag der Rücksichtslosigkeit
herzzerreißend geweint
Am Tag der Lauferei
literweise Schweiß und Speiberei
Am Tag der bunten Gebäude
Sonnenschein und Lebensfreude
Bericht
Was gibt es zu berichten
über die Lügen des Managements
zum heutigen Tag
verschwiegene Beschlüsse
Mitarbeiter das wichtigste Kapital
Es hat nicht viel gegeben
es lässt sich nicht sagen
wir sind am richtigen Weg
unausweichlich
Marktanteile im Visier
Unsere Maßnahmen
sind unumgänglich
ein Gebot der Stunde
aus eigener Kraft
vorausschauend geplant
So sind die Reden
die es zu bewältigen gilt
am Gang
beim Kaffeeautomaten
in schweigender Angst
Lebenslauf
Ein neuer Mensch, Farben in geometrischen Formen,
Aufbruch unter politischem Gesang.
Avantgarde, ein Wort mit schönem Klang,
Vorwärts, die Waffen schreiten voran.
Konterrevolution, ein Kartenspiel mit unverrückbarem
Einsatz, einen Eispickel im Talon.
Helden der Arbeit, Eure Unterstützung gilt dem
unterdrückten Proletariat, Wachs in den Händen.
In der Distanz zum Erreichen der Zukunft
Fantasie, ein stiller Tod.
Ozone Blues
Blues, richtiger Blues, zwölf Takte,
ländliche Anarchie.
Fröhliche Menschen bei harter Arbeit,
jederzeit
ein Lied in der Luft.
Peitschenschläge, Bildungsnotstand,
welcher Blues.
Melancholie, Kaffee und
Alkohol und übliche Zwänge,
alles Mögliche sexuell
übertragbar.
Oder fliegende Untertassen.
Der eigene Blues, temporär.
Vom Tonträger. Direkt. Live
und ungeschnitten.
Oder sonst woher.
Ein kleines Update, zwölf Takte,
Apostel, Monate. Ein fester Rahmen.
Und rundherum
genügend freier Raum
Sprengstoff
Entwurzelte Generationen sind zu allem fähig.
Ecstasy, Kaufrausch oder Familiengründung.
Mit den Namen der Sieger auf der Brust ist die
konkrete Entscheidung im Einzelfall unvorhersehbar.
Manches ist unwahrscheinlich.
So wie der Fall der Mauer oder
Michael Jackson in einer Striptease-Bar.
Use the system als Widerstand mit Borsten.
Vom möglichen Ende der Rohstoffe
ist in den Einkaufscentern nichts zu spüren.
Das Ozonloch wird weggeblendet
mit Sonnenschutzfaktor X-Large.
Die radioaktiven Träume sind verblasst.
Arbeitsplätze wackeln wie Dominosteine.
Bekennende Hybris.
Hausverstand hypothekar belehnt.
Lenin ging jahrelang unerkannt
in der Schweiz spazieren.
Gnade
unser freier Wille geschehe
in der Familie
und am Arbeitsplatz
sodass unsere Schuld
sich verteile
auf die Flächen unserer Hände
und das Ende der Welt
wie auch wir
vergeben unsere Möglichkeit
ganz nah und fern
Martin Dragosits
lyrikzone

Der 1. Mai kann ein hilfreiches Ritual sein, um Menschenwürde und globale soziale Rechte öffentlichkeitswirksam zu thematisieren.
Nachdem ich in der Vergangenheit manchmal das Gefühl hatte, dass der DGB-Aufruf zum 1. Mai sich wie eine etwas angestaubte Parteiverlautbarung wirkt, hat mich der Text im vergangenen Jahr durchaus inspiriert:
„Ein Leben in Würde ist für viele Menschen keine Selbstverständlichkeit. In Unternehmen kommt es trotz Rekordgewinnen zu Massenentlassungen. Verschämte Armut ist längst zur Kehrseite unverschämten Reichtums geworden. …. Weder der europäische Einigungsprozess noch der weltweite wirtschaftliche Wettbewerb liefern Sachzwänge, die nicht sozial von den Menschen gestaltet werden könnten. …. In einer sozialstaatlich verfassten Demokratie ist soziale Gerechtigkeit die Grundvoraussetzung für ein Leben in Würde. Ohne die Würde des einzelnen Menschen gibt es keine freie Gesellschaft.“
Kampf ums Menschenbild
Karl Marx hat gesagt „die freie Entwicklung jedes Einzelnen ist die Voraussetzung für die freie Entwicklung der Gesellschaft“.
Ich finde es wichtig, dass wir uns wieder mit so grundsätzlichen Positionen beschäftigen, dass wir unsere Vorstellung von Gesellschaft und unser Menschenbild bewusst machen und den Kampf darum aufnehmen.
Es ist das Bild, das seine Wurzeln in der Philosophie der Aufklärung hat. Es geht davon aus, dass Menschen als Vernunft begabte Wesen in der Lage sind die Welt zu erkennen und zu verändern, dass sie Unmündigkeit und unwürdige Verhältnissen selbst verschulden und sich deshalb selbst daraus befreien können. Und dass alle Menschen gleich sind an Würde, mit unverzichtbaren „natürlichen“ Rechten ausgestattet.
Bis dahin konnten landlose Bauern völlig rechtmäßig als Leibeigene wie Vieh gehalten werden. Schwarze wurden massenhaft als Sklaven verschleppt und wie billige Werkzeuge verbraucht. Indigene Völker wurden aus wirtschaftlich interessanten Gebiete vertrieben, wie Tiere gejagt, ausgerottet oder in Europa in Käfigen zur Schau gestellt.
In theoretischen und ganz handfesten Auseinandersetzungen, an denen Philosophen ebenso beteiligt waren wie aufständische Sklaven, Weber oder Bauern wurde die geistige Epoche des Mittelalters durchbrochen und das aufgeklärte Menschenbild durchgesetzt.
Aus dieser Zeit stammt folgender Text:
„wacht auf, Verdammte dieser Erde, die stets man noch zum Hungern zwingt, das Recht (das Menschenrecht) wie Glut im Kraterherde nun mit Macht zum Durchbruch dringt. ….“
„Ein Nichts zu sein – tragt es nicht länger; Alles zu werden, strömt zu hauf“
Es ist ein Lied der Pariser Commune von 1871. Es hatte schon die globale Perspektive:
…. Die Internationale. … „Die Internationale erkämpft das Menschenrecht!“.
Eine weiter wichtige Station war die allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948. Damals hat die Gemeinschaft der Völker Lehren gezogen aus den Verbrechen von Faschismus und Weltkrieg. Die wichtigsten Lehren waren, dass die kapitalistischen Märkte und vor allem die Finanzmärkte reguliert und kontrolliert werden müssen, um verheerende Weltwirtschaftkrisen wie die von 1929 zu verhindern; und dass neben den allgemeinen persönlichen Freiheitsrechten die soziale Sicherheit der Menschen eine Grundlage für Frieden, Demokratie und Gerechtigkeit in der Welt ist.
So sind neben den politischen, den Bürgerrechten, auch soziale Menschenrechte festgeschrieben.
Im Artikel 22 heißt es: „Jeder hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht auf soziale Sicherheit und Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit sowie unter Berücksichtigung der Organisation und der Mittel jedes Staates in den Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen, die für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlich sind.
“
Und im Artikel 23: “Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit.“ Und: „Jeder, der arbeitet, hat das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung, die ihm und seiner Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert, gegebenenfalls ergänzt durch andere soziale Schutzmaßnahmen.“
Nach der Befreiung vom Faschismus waren sich zumindest in Europa alle demokratisch Gesinnten einig: um Frieden, Menschenrechte und Völkerfreundschaft zu verwirklichen, muss die Macht der Großkonzerne, die Macht der Kapitalisten, begrenzt werden. Die hatten mit ihrer Gier nach billigen Arbeitskräften, neuen Rohstoffen und Absatzmärkten den zweiten Weltkrieg forciert und direkt oder indirekt vom Terrorregime der Faschisten profitiert.
Dass soziale Sicherungssysteme und öffentliche Daseinsvorsorge auf- und ausgebaut werden müssen war breiter gesellschaftlicher Konsens.
Die gegenwärtige Lage (Analyse)
Aber seit etwa 30 Jahren gibt es ein „Roll Back“. Unter dem Druck von sozusagen überflüssigem Kapital, das auf der Suche war nach neuen Profitquellen, wurden die Schleusen geöffnet und die Märkte „befreit“. Es waren und sind die Regierungen, die supranationalen politischen Institutionen und die Eliten der Wirtschaft und Politik, die die Regeln bewusst ändern.
Bei uns ist es Helmut Kohl gewesen, der sozusagen offiziell die „geistig-moralische Wende“ eingeläutet hat. In den so genannten Entwicklungsländern brauchte es keinen ideologischen „Kampf um die Köpfe“. Nach der Erdölkrise saßen viele in der Schuldenfalle und der Internationale Währungsfonds konnte ihnen für neue Kredite „Strukturanpassungsprogramme“ diktieren: Märkte öffnen, Staatsquote und Sozialausgaben absenken.
Im großen Maßstab wurde staatliches oder öffentliches Eigentum an transnationale Konzerne verscherbelt, Gesundheits- und Bildungsausgaben gekürzt und natürlichen Ressourcen privatisiert – von den Kupferminen über Ölquellen bis zum Saatgut und zum Wasser. Die Welt wird zur Ware und nur wer kaufen kann zählt.
Die finstersten Folterknechte des Mittelalters haben den Durst als vorletztes Mittel in ihrem Waffenarsenal benutzt. Und sogar Schwerverbrechern war noch „Brot und Wasser“ garantiert. Im modernen Kapitalismus würde diese harte Strafe das Leben von 30.000 Kindern pro Tag retten, die heute verhungern und verdursten.
Die neoliberale oder marktradikale Globalisierung entzieht der Menschenwürde den Boden.
Und das ist zunehmend auch bei uns zu sehen:
In Europa sind inzwischen achtzig Prozent der öffentlichen Infrastruktur privatisiert worden – von Eisenbahn bis Autobahn, Strom, Wasser, Post … in Deutschland fast die Hälfte des kommunalen Eigentums. Die soziale Sicherheit ist zunehmend vom Geldbeutel abhängig und der wird für viel immer dünner.
Und diese Politik ist weder Zufall noch reine Böswilligkeit – auch wenn etliche marktgläubige Fundamentalisten auch in den kommunalen Parlamenten sitzen.
Die nationalen Regierungen buhlen mit niedrigen Steuern auf Kapital- und Unternehmensgewinne um die Gunst der Anleger. Statt Regeln zu suchen, wie die Produktionszuwächse zum Wohle der Allgemeinheit umverteilt werden, ordnen sie die Politik dem Kapitalinteresse unter. Im weltweiten Wettbewerb um Marktanteile sollen „unsere Konzerne“ – die ja gar nicht unsere sind – die Konkurrenz aus dem Feld schlagen. So wollen sie „den Tiger reiten“. Auch die Rot-Grüne Bundesregierung hat jahrelang aktive Reichtumspflege betrieben. Mehr als 60 Milliarden Euro Steuergeschenke haben die Aktiengesellschaften und GmbHs in ihrer letzten Amtszeit erhalten.
Weil Spitzenverdiener weniger Einkommenssteuer bezahlen müssen fehlen 2,5 Milliarden Euro im Haushalt. Mit Hartz IV wurden 2,5 Milliarden Euro bei Arbeitslosen gekürzt und jetzt plant die Bundesregierung mit einem „Hartz-IV-Optimierungsgesetz“ durch Zwangsmaßnahmen noch weitere 1,2 Milliarden bei Langzeitarbeitslosen einzusparen.
Während Hunderttausende in die Armut geschickt werden, wissen die führenden Wirtschaftunternehmen nicht wohin mit ihren Gewinnen und müssen deshalb immer weitere gesellschaftliche Bereiche auskaufen.
Dabei besteht ein stilles und allgemeines Einverständnis darüber, dass das Recht auf Privatigentum sie dazu ermächtigt. Aber wir müssen da einen Unterschied machen:
Es gibt ein individuelles Grundrecht auf Eigentum an persönlichen Gebrauchsgütern, die durch eigene Arbeit erworben werden. Über ihre persönliche Einkommen und Vermögen (nach Steuern und Abgaben) dürfen Männer und Frauen zu Recht wie über ein privates Gut nach eigenem Ermessen verfügen. Sie dürfen nicht dazu gezwungen werden, ihre Ersparnisse aufzubrauchen – auch nicht, wenn sie arbeitslos werden!
Ganz anders ist das Eigentum an Produktionsmitteln zu beurteilen, das nur unter Einsatz fremder Arbeitskraft, nämlich von abhängig Beschäftigten produktiv eingesetzt und gewinnbringend vermehrt werden kann. Die durch den Einsatz von Arbeit und Kapital gemeinsam erwirtschaftete Wertschöpfung ist kein ausschließliches privates Gut der Aktionäre, sondern Eigentum aller, die sich im Unternehmen auf unterschiedliche Weise engagieren. Das Selbe gilt für natürliche Ressourcen, die bewirtschaftet werden, aber allen gehören. Wenn den Beschäftigten der ihnen zukommende Teil der Wertschöpfung entrissen und einseitig auf die Konten der Aktionäre und Spitzenmanager überwiesen wird, wenn der Ertrag aus Wasser oder Wäldern, Land und Bodenschätzen in die Kassen transnationaler Konzerne fließt, ist das Betrug und Raub.
Es gibt kein Recht auf Enteignung!
Die Rechte der Profiteure, der multinationalen Konzerne und Kapitalbesitzer werden den Menschenrechten übergeordnet. Diese Logik, die führt dazu, dass jede Sekunde irgendwo auf dieser Welt ein Mensch verhungert. Die Verelendung der Straßenkinder in Mexico-City entspringt den selben Interessen wie die Perspektivlosigkeit von Jugendlichen in den Vorstädten von Paris oder am Aschenberg (sozialer Brennpunkt-Stadtteil in Fulda).
Da sind keine Sachzwänge, keine gottgewollte Ordnung. Das ist die bewusste Ausgrenzung und Demütigung von Menschen, die dieses System nicht mehr braucht.
Es ist ein menschenunwürdiges System – wir sollten es verändern!
Perspektiven / was nötig und möglich ist
Die materiellen Voraussetzungen sind gegeben: Die Weltwirtschaft ist in der Lage, enorme Mengen von Gütern zu produzieren und immer größere Produktivkräfte frei zu setzen. Vernünftig verteilt, könnten die Erträge der Landwirtschaft 12 Milliarden Menschen ernähren – das Doppelte der heutigen Weltbevölkerung. Gerecht verteilt und ökologisch hergestellt würden die produzierten Güter ausreichen, ein gutes Leben für alle zu ermöglichen, ohne die Welt zu zerstören. Es ist genug für alle da – auch für eine umfassende soziale Sicherung, für Bildung und Gesundheit. Die Mehrheit der Bevölkerungen lebt nicht über, sondern unter ihren Verhältnissen.
Deshalb kommt es darauf an, was wir tun, die Milliarden Menschen weltweit, die stärker sind als Milliardäre haben jeweils ein Stück eigene Verantwortung für das Gesicht der Welt.
In der Internationalen heißt es „Es rettet uns kein höheres Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun; uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun“.
Für hier und heute würde ich sagen, dass es nicht reicht, an die Verantwortung „des Staates“ oder der Bundesregierung zu appellieren oder gar an das soziale Gewissen der Arbeitgeber. Und dass es weder die SPD noch die Linkspartei „schon richten werden“ und auch nicht der DGB-Bundesvorstand.
Wir gewinnen Würde dadurch, dass wir uns wechselseitig das Recht zuerkennen, als Gleiche behandelt und geachtet zu werden.
Die Rechte der Ausländer, die seit langem in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt haben, und die Rechte derer die legal oder illegal einwandern, um zu arbeiten verleihen ihnen Würde. Deshalb ist es würdelos, wenn die Deutschen sich in einen Konkurrenzkampf der gegen sie hetzen lassen.
Die Rechte der Erwerbslosen, an der gesellschaftlich organisierten Arbeit beteiligt zu sein und einen regulären Arbeitsplatz zu finden, der ihrer Kompetenz entspricht, sichern ihnen persönliche Identität, gesellschaftliche Anerkennung und einen angemessenen Wohlstand. Dies ist eine Frage der Würde, nämlich von der Gesellschaft nicht am Boden niedergedrückt sondern aufgerichtet zu sein, weil sie auf die Talente und den Einsatz einer jeden Person setzt, die arbeiten kann und arbeiten will. Es ist würdelos, Leute in unsinnige und unbezahlte Arbeit zu zwingen. Und es ist würdelos wenn Arbeitgeber von den Erwerbstätigen unbezahlte Mehrarbeit, längere Arbeitszeiten und Lohnverzicht erpressen.
Die Rechte der Produzenten in den Ländern des globalen Südens, die dafür sorgen, dass wir hier Blumen, Früchte, Kaffee, Spielzeug und Klamotten in Hülle und Fülle haben. Es ist würdelos, dass sie das Fehlen von ökologischen und sozialen Standards oft mit Leib und Leben bezahlen müssen und es ist würdelos, wenn wir als Konsumenten nur nach dem billigsten Preis fragen.
Kampf um Rechte / Würde
Wir gewinnen unsere eigene Würde, indem wir unsere Rechte verteidigen und erkämpfen und indem wir die Rechte der anderen verteidigen, einfordern und durchsetzen.
Es gibt viele aktuelle Beispiele für solche Kämpfe …. überall auf der Welt:
In den USA, wo Millionen Migrantinnen auf die Straße gehen, weil die Regierung Leute ohne Papiere zu Kriminellen stempeln und abschieben will oder wo inzwischen viele Hochschulen, Kommunen oder Jugendclubs Coca-Cola boykottieren, weil der Konzern engagierte Gewerkschafter in Kolumbien beseitigen lässt.
In Lateinamerika, wo Bürger-Bewegungen gegen die Enteignung durch Konzerne kämpfen, sich international vernetzen und erfolgreich die geplante Freihandelszone NAFTA verhindert haben.
Auch in Europa tut sich etwas.
Mit den Protesten gegen die Dienstleistungsrichtlinie, den Bolkestein-Hammer haben Gewerkschaften und soziale Bewegungen gezeigt, dass sie sich nicht in Unterbietungskonkurrenz zu den europäischen Nachbarn treiben lassen. Unsere Briefe an Abgeordnete, die öffentliche Debatten, Infostände und natürlich die großen Demonstrationen haben das Schlimmste verhindert.
In Frankreich konnten wir sehen, wie solidarische Aktionen die Pläne der Herrschenden durchkreuzen können. Sie haben den Versuch BerufsanfängerInnen den Kündigungsschutz zu nehmen und sie der Willkür der Arbeitgeber auszusetzen zu Fall gebracht! Bravo! Diesen Ball können wir aufnehmen, wenn die Bundesregierung ihren Plan wahr macht, die Probezeit auf zwei Jahre zu verlängern.
Die tapferen Streiks der Beschäftigten im öffentlichen Dienst gegen die unsinnige Arbeitszeitverlängerung zählen genauso dazu, wie die entschlossenen Aktionen der Hafenarbeiter gegen Lohndumping.
Mit den Kampagnen gegen den Billigdiscounter Lidl haben wir gezeigt, dass sich der Kampf um Rechte aus verschiedenen Perspektiven bündeln läßt und einen mächtigen Konzern unter Druck setzen kann. Die KollegInnen von Ver.di konzentrieren sich auf die Rechte der Verkäuferinnen, einen Betriebsrat zu haben und anständige Arbeitsbedingungen. Attac hat das Recht auf faire Preise und soziale Rechte auch für die Produzenten ins Spiel gebracht und Greenpeace das Recht auf gesunde Lebensbedingungen.
Filialbesuche, auffällige Aktionen, viele E-Mails und Protestpostkarten von vielen kleinen Gruppen und von vielen einzelnen Personen haben in der Konzernzentrale, aber vor allem in der Medienöffentlichkeit etwas bewegt. Die „Geiz ist geil“-Mentalität ist angekratzt. Geist ist nämlich geiler!
Es stehen noch viele Kämpfe um soziale, demokratische und ökologische Rechte vor uns und wir haben eine Menge Anlässe und Möglichkeiten:
… Ich würde sagen, Mindestlohn ist das Mindeste! In den Betrieben und in der Nachbarschaft, kann jede darüber reden, dass es hier um ein Menschenrecht für alle geht. Jeder kann Bundestagsabgeordnete besuchen oder wenigstens anschreiben. Manche könnten Patenschaften für die Reinigungsfrauen oder die Kollegen aus der Leihfirma übernehmen und sich auch deren Würde zur eigenen Angelegenheit machen.
Und es gibt auch noch eine ganze Reihe anderer Baustellen, an denen wir arbeiten wollen:
– Den Börsengang der Bahn verhindern, den die Bundesregierung im September beschließen will und statt dessen eine Bürgerbahn wie in der Schweiz gestalten, die Umwelt schon und Mobilität für alle möglich macht.
– Die gerechte Besteuerung von Gewinnen und Vermögen durchsetzen, damit wieder Geld für öffentliche Daseinsvorsorge da ist. Und zwar nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch mit einheitlicher Kapitalbesteuerung in Europa und mit internationalen Steuern zum Beispiel auf Flugbenzin oder Devisenspekulation.
– Eine solidarische Bürgerversicherung errichten, ohne Beitragsbemessungsgrenzen, in die alle von allen Einkünften einzahlen und aus der alle notwenigen medizinischen Leistungen für alle bezahlt werden, ohne Eigenanteile. Dazu die paritätische Finanzierung durch die Arbeitgeber über eine Wertschöpfungsabgabe wieder herstellen und die Pharmaindustrie regulieren – das wäre eine würdige Gesundheitsreform.
– Eine Initiative ArbeitFairTeilen starten für mehr Zeitwohlstand, damit hier nicht noch mehr Exportüberschuss produziert wird, der in anderen Ländern Arbeitsplätze kostet.
– Aktiv dem geplanten Luftkrieg der USA gegen den Iran entgegen treten, damit Krieg und Terror nicht das wirkliche Ende der Geschichte einläuten.
– Die Energiewende voran treiben, Sonne, Wind und andere Alternativen entwickeln und den Verbrauch reduzieren, damit die Kriege ums Öl überflüssig werden, die Klimakatastrophen bewältigt werden können und Atomkraft verschwindet.
– Die Europäische Union zum fairen Handel zwingen, damit auf dem afrikanischen Kontinent eigenständige Entwicklung möglich wird.
– Die Banken und Gläubigerländer drängen, die globale Schuldknechtschaft aufzugeben, und den Kapital-Transfer von den armen in die Reichen Länder zu beenden.
Natürlich kann nicht jede und jeder überall mitmachen. Das ist auch nicht nötig. Wir sind so viele und es gibt eine solche Vielfalt von Gruppen, Organisationen und Bewegungen, dass alle Felder beackert werden können. Wir müssen allerdings dafür sorgen, dass die verschiedenen Kämpfe um globale soziale und ökologische Rechte als eine gemeinsame Angelegenheit wahrgenommen werden. Wichtig ist, dass alle etwas tun und sei es nur ein Weniges – eine Unterschrift, ein Gespräch in der Mittagspause, ein Leserbrief, ein Besuch am Streiktor, eine Nachfrage im Supermarkt oder die Teilnahme an einer Demonstration. Sich heraus halten und abwarten geht nicht. Wir sind alle auch Teil dieses Systems.
Im Juni 2007 wird sich der Club der Mächtigsten zum G8-Gipfel in Deutschland treffen – ganz im Abseits und ängstlich abgeriegelt von der Öffentlichkeit, im Nobelhotel Kempinski im Ostseebad Heiligendamm. Hier haben wir die Verantwortung, vor den Augen der Weltöffentlichkeit für unser Menschenbild gerade zu stehen, diesem illegitimen Club der Wirtschaftsfürsten die Stirn zu bieten und die Schau zu stehlen.
Wir dürfen die menschenunwürdigen Verhältnisse nicht akzeptieren und wir dürfen die Hersteller dieser Verhältnisse nicht in Ruhe lassen. Auch wir können wirkungsmächtig werden.
Seid selbstbewusst, seid euch eurer Würde und der Rechte aller Menschen bewusst und das nicht nur am 1. Mai!
Blog-Beitrag von Sabine Leidig, Attac-d (Geschäftsführerin im Bundesbüro).

Zum 1. Mai 1893 – von Karl Henckel
Wir waren lang genug geknechtet,
Vom Taumel der Gewalt mißbraucht,
Wir waren lang genug entrechtet,
In thatenlose Nacht getaucht.
Wir haben lang genug in Banden
Zwinguri Mammon hart gefröhnt –
Hört Ihr das Horn, wie`s hallt und dröhnt?
Habt Ihr den Sturmesruf verstanden?
Wir woll`n die Menschheit frei,
Leucht uns, oh Weltenmai!
Herbei! Herbei!
Zerbrecht, zerbrecht den Thurm der Tyrannei.
Der Maiengedanke – von Karl Bröger
Immer wieder grünt die Welt.
Leben muß sich neu entfalten,
Tod kann keinen Keim zerspalten,
der ein Blühn umschlossen hält.
Zwischen allen Schlachtengraus
Zieht die Sonne ihre Bahnen,
schwenkt sie ihre goldnen Fahnen
leuchtend über jedes Haus.
Geist weicht nicht aus seiner Spur.
Nichts kann seinen Weg verschütten.
Über alle armen Hütten
unsichtbar flammt dieser Schwur:
„Brüderlich und gleich und frei!
Wir, vom gleichen Leid geschlagen,
wollen unsre Sehnsucht tragen
in den Frieden in den Mai.“
Zukunftsmai – von Alfons Petzold
Sind wir nicht auf dem Weg zu Ihm,
zu dem Großen und Gesegneten,
zu dem Sterne und Sonne Begegneten,
zu dem strahlenden Cherubim?
Aus der dämmernden Dunkelheit
ziehen wir dem Lichte entgegen.
Allenthalben will es sich regen
hin zu ihm aus Ruhe und Streit.
O, noch lange sind wir nicht frei,
sind noch Volk mit klirrender Kette,
voll von Sehnsucht, daß uns errette
für die Erde der Zukunft Mai!
Deutsche Liebeslyrik – Alfons Petzold.

Einige weiterführende Links:
DGB – Geschichte des 1. Mai: vom Kampftag zum Feiertag.
Renner Institut – Der 1. Mai: Vom „Rebellensonntag“ zum „allgemeinen Ruhe- und Festtag.
2 Gedanken zu „1. Mai 2007“