Schreibkurse, Schreibseminare, Schreibtherapien finden immer weitere Verbreitung. Viele Menschen erhoffen sich vom Schreiben befreiende und entlastende Wirkungen. Ob diese allerdings tatsächlich zu erwarten sind, haben Psychologen in einer Studie am Beispiel der Methode des „Expressiven Schreibens“ untersucht.
Schreibende wissen, dass das „Schreiben über belastende Lebensereignisse“ nicht gesundheitsfördernd ist – immerhin liegt selbstzerstörerisches Verhalten bis hin zum Selbstmord bei Schriftstellerinnen und Schriftstellern ziemlich sicher weit über dem statistischen Durchschnitt – Goethes Selbsttherapie während des Schreibens am Werther ist ja möglicherweise auch mehr Dichtung als Wahrheit. Trotzdem haben Pennebaker und Beall in den 80er Jahren das „Expressive Schreiben“ über die so genannten belastenden Lebensereignisse entwickelt, mit dem sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit signifikant gesteigert werden sollten.
Sebastian Otte hat 2008 in Zusammenarbeit mit Birgit Kröner-Herwig und Carolin Mogk in einer Metaanalyse die bisherigen Studien zum Thema untersucht und ist zu dem uns nicht überraschenden Ergebnis gekommen, dass die Methode des „Expressiven Schreibens“ in der Tat keinerlei nachweisbaren Einfluss auf seelische oder körperliche Gesundheit hat.
Ärgerlich an dieser Veröffentlichung, wie an so vielen psychologischen Studien, ist aber etwas anderes. Wird im Umschlagtext noch über Menschen und über die möglichen Auslöser psychischer Belastungen geredet, wird spätestens nach der Einleitung nur noch gerechnet. Alles, was am Schreiben eine wichtige qualitative Erfahrung sein könnte, wird in Zahlen umgesetzt, hier mit Vorliebe in die Häufigkeit der Besuche bei Ärzten, in Gesundheitszentren und Krankenhäusern. Alles, was sich an Lebensproblemen während des Schreibens enthüllt, erklärt, eröffnet, wird unterschlagen zugunsten von Diskussionen über Varianzen, Variablen und über den Publikationsbias (ja, wenn sich in vielen Studien ein Effekt zeigt, nimmt man an, dies liege auch daran, dass Studien, die keinen Effekt hervorbringen, nicht veröffentlicht würden!), und so kriegt man am Ende alles klein. Aber wie gesagt: wir wussten das ja schon!
Wahrscheinlich sollten wir uns dann auch nicht ärgern, wenn in der Schlussfolgerung, nach endlosen Seiten von Methodik, Statistik und Sensitivitätsanalysen als alternatives Behandlungsmodell eine Arbeit eine der Mitautorinnen empfohlen wird. Aber schreiben wir lieber weiter … trotzdem.
Peter Metz
Sebastian Otte, Birgit Kröner-Herwig, Carolin Mogk – Schreiben über belastende Lebensereignisse – Eine Metaanalyse zur Wirksamkeit
VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken, 2008. 100 Seiten, € 49,00 (D).
Bereich: Sachbuch