oder
Einige Gedanken zum Umgang mit sprachlichen Rassismen
Georg Schober
Unbedacht ausgesprochene Worte können verletzen, und wer sonst als die AdressatInnen derselben wissen, ob und in welchen Maß sie verletzt werden.
Die oftmals bösartigen und rassistischen Postings und LeserInnenbriefe in Zusammenhang mit der „Mohr im Hemd“-Diskussion erlebe ich als zutiefst beschämend und verletzend.
Beim Versuch, die „Diskussion“ von Beginn an in ihren unterschiedlichen Aspekten wahrzunehmen, war ich allerdings erstaunt, wie der „Mohr im Hemd“ auf fm4 und in einer Reihe von Blogbeiträgen, deren AutorInnen sich als AntirassistInnen verstehen, thematisiert wurde.
Im Sinne einer antirassistischen Bewußtseinsbildung scheint es mir nicht zielführend, vorweg apodiktisch festzustellen: „Solche Wörter sind für Schwarze im deutschsprachigen Raum eine der schwersten Beleidigungen …“ und die umgehende Entfernung des Begriffs aus Speisekarten und Sprachgebrauch der ÖsterreicherInnen zu erwarten.
Diese Form der Forderung ist in der Folge auch von vielen Menschen als oberlehrerInnenhaft bis missionarisch empfunden worden. So ist es nicht verwunderlich, daß bisher kaum jemand vom rassistischen und verletzenden Hintergrund des Begriffs „Mohr“ überzeugt werden konnte. Vielmehr wurden eine Menge dem Thema Rassismus gegenüber aufgeschlossene Menschen nicht zuletzt durch die Art und Weise der Argumentationen verärgert oder / und finden die Diskussion einfach nur lächerlich.
Sprache ist etwas Lebendiges und unterliegt einer ständigen Veränderung. Gleichzeitig ist sie auch ein Spiegel der herrschenden Machtverhältnisse. Eine Minderheit kann von der jeweiligen Mehrheit zwar erwarten und verlangen, auf ihre Sichtweise und Erfahrungen einzugehen. Dabei ist es sicher nicht verkehrt, inhaltlich zu argumentieren, ein wenig über Befindlichkeit, Geschichte sowie eventuelle Informationsdefizite der Mehrheitsbevölkerung Bescheid zu wissen und zu versuchen, auch auf diese einzugehen.
War das Unverständnis vieler ÖsterreicherInnen hinsichtlich des Themas „Mohr im Hemd“ wirklich nicht vorhersehbar? Der „Mohr im Hemd“ ist ein Teil der österreichischen kulinarischen Tradition. Für gar nicht so wenige hat er seit ihrer Kindheit etwas Geheimnisvolles, Exotisches und in keiner Weise Abwertendes an sich.
Möglicherweise ist dies bei den meisten ein Grund für ihr Festhaltenwollen am Begriff „Mohr im Hemd“.
Bisher bot die Kampagne um den „Mohr im Hemd“ vor allem rechtspopulistischen Sichtweisen einen „Auftritt“ wie beispielsweise ein Blick in diverse Internetforen zeigt. Mein Eindruck ist: Die Art und Weise, wie die Kampagne geführt wurde, schadet der Antirassimusbewegung mehr als sie ihr nutzt.
Schade, daß die österreichische Antirassismusbewegung zahlenmäßig so schwach in diversen Foren von Tageszeitungen usw. vertreten ist. Es ist fein, sich in der Facebookgruppe „Stop racist Unilever-Campaign in Austria“ gemeinsam mit über 1000 Gleichgesinnten zu wissen. Jene, die es mit Argumenten zu überzeugen gilt, finden sich allerdings an anderen Orten.
Ich bin mir bewußt, daß diese Aufgabe einem Spagat gleicht: einerseits als konsequenter „Anwalt“ aller von Rassismus Betroffenen aufzutreten und andererseits Gesprächsbereitschaft vermeintlich nicht Einsichtigen gegenüber zu signalisieren und so möglichst viele Menschen für gemeinsame positive Ziele zu gewinnen.
Als Beobachter der bisherigen Ereignisse kommt man um die Frage nicht herum, warum sich kaum ein/e Schwarze/r in den bisherigen Prozeß einbringt. Hat das etwas damit zu tun, nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen zu wollen? Oder stehen für die Menschen ganz andere Probleme im Vordergrund? Schade, denn durch die schwache Präsenz der unmittelbar Betroffenen fehlt der Diskussion eines ihrer zentralen Elemente.
Als Schwarze/r lebt es sich in Österreich sicher nicht immer einfach. Umso wichtiger scheint mir beispielsweise, ein realistisches Bild von der Vielfalt Afrikas zu vermitteln. Das impliziert nicht nur das Sichtbarmachen von Stärken und positiven Aspekten, sondern auch die Darstellung von Problemen und Schwächen. Alles andere stärkt letztlich das rechte Lager, dessen offensichtliches „Erfolgs“geheimnis es ja ist, an konkreten gesellschaftlichen Problemen anzuknüpfen und populistische, oftmals menschenverachtende Forderungen bzw. Antworten aus ihnen abzuleiten.
Eine kritische und differenzierte Selbstwahrnehmung und entsprechende Positionierung der Afrika-Community in der Öffentlichkeit wirkt sympathisch und nimmt gleichzeitig jenen gesellschaftlichen Kräften, die für gewöhnlich kein gutes Haar an AfrikanerInnen lassen, zumindest teilweise den Wind aus den rassistischen Segeln.
Andreas Lindinger schreibt in seinem Beitrag „I will mohr“ gestoppt! Ein Pyrrhussieg?: „Dabei weiß ich, dass es auf alle diese Fragen keine eindeutigen Antworten geben wird, sondern dass sie jeder von uns für sich selbst finden muss. Umso wichtiger wäre daher ein breiter, grundsätzlicher Diskurs mit unterschiedlichen Positionen! Danke!“
Dem kann ich mich nur anschließen!
Weitere Blogbeiträge zum Thema „Mohr im Hemd“
Andreas Lindinger: Offener Brief betreffend “I will mohr”
Philipp Sonderegger: Wer a Tschusch ist, bestimmen no immer miar!
Gerald Bäck: Wer Rassist ist, bestimmen immer noch wir!
Klaus Werner Lobo: Warum ich Rassist bin
Martin Blumenau: Geschichten aus dem wirklichen Leben
Thomas Knapp: Der Mohr und die linke Sprachverwirrung
Printmedien
Die Presse vom 02.08.2009 : Political Correctness: Was man nicht sagen darf
hallo mel!
aus dem mund deines vaters klingt der begriff „horst-wessel-butterbrot“ – bei dem die butter im geiste mit marschiert – selbstironisch und nach feinem humor. würde ichdieses butterbrot in den mund nehmen, wäre es bestenfalls geschmacklos.
die beweggründe des „blöden arsch“ von nachbarn sind für mich nicht tolerierbar. trotzdem möchte ich versuchen, mit ihm über seine meinung und ausdrucksweise zu diskutieren. vielleicht regt ihn das gespräch ein wenig zum nachdenken an.
ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich mit dem nachbarn noch sprechen könnte und wollte, wenn ich ein schwarzer wäre.
lg georg
Bingo.
„Nicht aneinander vorbeireden“ finde ich zentral.
Ich glaube, die bisherige Diskussion nutzt niemandem. Egal in welcher Form. Weil das Thema schlicht und ergreifend läppisch ist.
Rassistische Ansichten speisen sich aus was anderem.
Ich zuckte als Mädchen zusammen, wenn mein Vater lustig vom „Horst-Wessel-Butterbrot“ redete, bei dem die Butter im Geiste mitmarschiert. „Horst Wessel“ war für mich untrennbar mit „Nazi“ verbunden. Dass mein Vater das überhaupt sagte, klang für mich „verdächtig“.
Aber: Mein Vater war Jahrgang 1927. Wurde gegen seinen Willen in die HAJOTT gezwungen. Mit 17 zur Wehrmacht eingezogen (letzter Jahrgang der noch „regulär“ eingezogen wurde, er war als im Oktober Geborener einer der Jüngsten.) Er hatte alles Recht der Welt, über diese schlimme Phase seines Lebens Witze zu reißen.
Ich könnte dir noch mehr davon erzählen.
Toleranz ist, wenn du versuchst, den blöden Arsch von einem Nachbarn, der deinen schwulen nigerianischen Freund eine Niggertunte schimpft, zu verstehen.
Weil deinen schwulen nigerianischen Freund verstehst du ja sowieso, wo liegt da dein Verdienst?
hallo mel!
grundsätzlich finde ich es wichtig, sprachliche rassismen zu thematisieren bzw. sie zu vermeiden. es ist mir allerdings nachvollziehbar, daß man den verlauf und die form der diskussion als lächerlich empfinden kann. ich erlebe sie eher als tragisch.
und ich frage mich im zusammenhang mit der diskussion um den mohr im hemd beispielsweise:
– wie kann miteinander kommuniziert und nicht aneinander vorbeigeredet werden?
– wem nutzt und wem schadet die form der bisherigen diskussion?
– warum wurde die kritik an sprachlichen rassismen ausschließlich am mohr im hemd bzw. einem produktnamen und der dazugehörigen werbekampagne festgemacht?
– was speist rassistische ansichten innerhalb der mehrheitsbevölkerung und sind zwischen den in österreich lebenden minderheiten ebenfalls rassistischen vorurteile zu finden?
– wie ist es um die alltägliche beschäftigung mit dem thema rassismus in unseren schulen bestellt?
warum die inuit nicht gegen die firmenbezeichnungn eskimo protestieren? vielleicht kennt man unser heißgeliebtes eis nahe dem nordpol einfach nicht unter diesem namen. ;-)
wenn wir auch teilweise unterschiedlicher meinung sind, nehme ich dir deine ansichten sicher nicht übel.
lg georg
Hi Georg, also ganz ehrlich: Ich finde diese „Diskussion“ wie schon mal erwähnt über alle Maßen kindisch und überflüssig. Bin bin mir jetzt nicht ganz sicher worauf du hinaus willst. Sprachliche Sensiblisierung ist sicher etwas, was uns beiden am Herzen liegt. Aber sonst…? Könnte sein, dass wir da doch ein wenig unterschiedlicher Meinung sind. Falls ja, hoffe ich, dass du mir meine nicht übel nimmst.
Ganz ehrlich: Hätte ich afrikanische Vorfahren, ich würde erst mal grinsen und dann vermutlich ziemlich wütend sagen: Habt ihr rosafarbenen Deppen echt nix Besseres zu tun, als euch darum zu raufen, wie ihr euer dekadentes, dick machendes Schleckzeug nennt, während die „Gegenstände“ eurer politisch korrekten Empörung scharenweise verhungern?
Nur nebebei: Wo bleibt eigentlich der Protest der Inuit gegen die rassistische und diskriminierende Marke „Eskimo“?
LG Mel