Günter Wallraff – Stadtgespräch 12

Peter Huemer im Gespräch mit Günter Wallraff über Ausbeutung, Bespitzelung und Arbeitgebermobbing.

Wann: Mittwoch, 20. Jänner 2010, 19 Uhr
Wo: Großer Saal im Bildungszentrum der AK Wien, Theresianumg. 16-18, 1040 Wien

Videoaufzeichnungen des Wiener Stadtgespräches sind auf DVD in der AK Bibliothek erhältlich, wo Sie auch die Bücher der bisherigen Gäste in der Freihandaufstellung finden.

1977 arbeitete Günter Wallraff als Hans Esser undercover in der Redaktion der BILD-Zeitung und machte die Praktiken des Boulevardblattes einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Später erlebte er als Ali den Alltag eines türkischen Gastarbeiters, viele weitere Reportagen folgten. Die Schweden schufen für seine Recherchemethode sogar einen eigenen Begriff: Wallraffa.

Zuletzt recherchierte er in Callcenters, arbeitete als Niedriglöhner in einer Fabrik, die für Lidl Brötchen bäckt, verbrachte als Obdachloser die kältesten Tage des Winters auf der Straße und erkundete als Afrikaner die Lebensbedingungen in Deutschland.

Diese Erfahrungen fanden ihren Niederschlag in dem Buch von Günter Wallraff „Aus der schönen neuen Welt. Expeditionen ins Landesinnere“, erschienen im Verlag Kiepenheuer und Witsch (KiWi Paperback, 2009) bzw. in dem 86-minütigen Film „Günter Wallraff: Schwarz auf Weiß“ von Pagonis Pagonakis, Susanne Jäger, Gerhard Schmidt und Günther Wallraff.

Für seine Rolle als Flüchtling Kwami Ogonno aus Somalia, er hatte sich von einer Maskenbildnerin zu dunkler Hautfarbe verhelfen lassen, erhielt er nicht nur Anerkennung. Beispielsweise meinte die schwarze Autorin Noah Sow zu seinem Auftreten als Schwarzer unter anderem: „Er äfft unterdrückte Minderheiten nach und erntet damit Geld, Aufmerksamkeit und sogar Respekt“, und weiter, als „angemalter Weißer“ könne man schwarze Erfahrungen nicht machen.

Ob man Rassismus erfolgreich entgegentreten bzw. ihn bekämpfen kann, in dem man einen Antirassiten, mit dessen Ansichten man nicht übereinstimmt, öffentlich schlechtredet? Oder handelt es sich bei einer solchen Herangehensweise schlicht und einfach um ein weiteres „Gurkerl ins Knie der Antirassismusbewegung“?

Noah Sow: Deutschland Schwarz Weiß. Der alltägliche Rassismus. C. Bertelsmann, 2008

So hat sich Günter Wallraff in den Augen mancher Menschen zum Affen gemacht. Er trägt es mit Würde, deckt auf, macht bewußt und exponiert sich. Durch seine Arbeit werden unakzeptable Zustände oft greifbarer und er selbst wird angreifbar. Als Kwami Ogonno lenkt er den Blick auf den Alltagsrassismus in Deutschland. Vielleicht bereitet er den Boden auf, damit Schwarze in Deutschland bzw. im deutschsprachigen Raum in Zukunft öffentlichkeitswirksamer als bisher für sich selbst sprechen können.

Solange die weiße Mehrheitsgesellschaft „dumm genug ist“ einen Weißen in der Maske eines Schwarzen nicht als solchen zu erkennen, kann man schwarze Erfahrungen machen. Wünschenswert wären viele Menschen die bereit sind eine Zeit lang in die Haut eines Kwami Ogonno zu schlüpfen. Sie wären danach voraussichtlich die besten MultiplikatorInnen im Einsatz gegen den (Alltags-)Rassismus in unserer Gesellschaft.

Die Diskussion am 20. Jänner 2010 um 19 Uhr im Bildungszentrum der AK-Wien verspricht jedenfalls eine spannende zu werden.

Homepage von Günter Wallraff

Die Zeit (Oktober 2009): In fremder Haut, von Günter Wallraff

Spiegel online vom 21.10.2009: Kritik an neuem Wallraff-Film „Einfach nur der Fremde“, von Hannah Pilarczyk

sueddeutsche vom 29.10.2009: Ein Mann will gehasst werden. Günter Wallraff: Schwarz auf Weiß, von Andrian Kreye

Welt online 22. Oktober 2009: Schwarzer Wallraff ist geschmacklos und perfide, von Eckhard Fuhr

Zwei VorgängerInnen von Günther Wallraff aus den USA – John Howard Griffin und Grace Halsell:

Einestages -Zeitgeschichte auf Spiegel online: Rassentrennung im Selbstversuch. Vor 50 Jahren „verwandelte sich“ der US-Schriftsteller John Howard Griffin mit Tabletten und Ultraviolett-Bestrahlung in einen „Schwarzen“. Seine Erfahrungen beschrieb er im späteren Bestseller „Black Like Me“ (New York 1960).

Griffin, John Howard: Reise durch das Dunkel, 230 Seiten. Verlag Desch, 1962.

Grace Halsell hatte Jahre später die Idee, auch eine Frau müßte sich in eine „Schwarze“ verwandeln. Als sie mit Hilfe von Tabletten, Sonne und Creme schwarz genug war, ging sie 1968 nach Harlem und später in den Süden der USA, um dort als “Schwarze” zu arbeiten. Das Buch mit ihren Erfahrungen – „Soul Sister. The Journal of a White Woman Who Turned Herself Black and Went to Live and Work in Harlem and Mississippi“ – erschien 1969/70

Halsell, Grace: Ich war eine Schwarze, 240 S. Verlag: Hoffmann u. Campe, 1971.

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