Rebellische Trauben
In „UhudlerLegende“ von Walter Eckhart und Robert Sommer bleiben keine Fragen um die Wilde Indianertraube, auch Uhudler genannt, offen. Außergewöhnlich verlief die Geschichte „Vom Wein der Gesetzlosen“, der zur raren Köstlichkeit des Südburgenlandes avanciert.
Noah, Elvira, Isabella, Concord, Delaware, Clinton, Ripatella et cetera. Das sind Traubensorten des Uhudlers mit ihren einzigartigen Erdbeeraromen. Seit 1992 ist der „Uhudler“ als regionaler Produktname des Südburgenlandes geschützt und darf vor Ort in zirka 200 Buschenschenken ausgeschenkt werden.
Doch vorerst zum Anfang der Geschichte: Um 1860 wurde die Reblaus durch einen tragischen Zufall in den Klosterneuburger Schulgarten eingeschleppt. Sie begann ihr Vernichtungswerk rund um Wien. Abhilfe schafften pilz- und reblausresistente amerikanische Rebsorten, die zur Veredelung – in der Fachsprache Kopulation genannt – mit europäischen Sorten verwendet wurden.
Verschiedene Methoden der Veredelung dienten als Schädlingsbekämpfung. Die Großweinbauern verwendeten die amerikanischen Wurzeln als Unterlage und ließen darauf ausschließlich europäische Vinifera-Trauben reifen. Diese Form der Veredelung erforderte nicht nur viel Zeit und Können, sondern auch optimale Witterungsverhältnisse.
Vielen kleinen Weinbauern fehlte die Zeit für oder das Wissen über dieses aufwendige Kopulieren. Sie pflanzten anstelle von europäischen Sorten einfach die Amerika-Reben oder kreuzten sie mit europäischen Sorten durch künstliche oder natürliche Befruchtung. Es entstanden die sogenannten Blendlinge oder Hybriden. In beiden Fällen erlaubten die Winzer den amerikanischen Reben eigene Trauben auszubilden. Dies ist die Geburtsstunde des heutigen Uhudlers, der auch Direkträgerwein oder Selbstträgerwein genannt wird. Der Name Uhudler entstand erst um 1960 im Südburgenland. Verschiedene Legenden ranken sich um die Entstehung dieses Namens.
Doch die paradoxe Geschichte des Uhudlers sollte erst beginnen: 1936 kam es zur Uhudler-Prohibition unter Bundeskanzler Kurt Schuschnigg und wurde folgendermaßen begründet: Zornexzesse bei Männern, Hysterie bei Frauen, Neigung zu Halluzinationen, geistige und körperliche Degenerationserscheinungen bei Kindern (…). Diese Meinung vertraten nicht nur Edelweinbauern, sondern sie war in jener Zeit die gängige Lehrmeinung. Heute kaum vorstellbar, fehlte diesen Begründungen jegliche wissenschaftliche Absicherung. Die Edelweinbauern fürchteten die Konkurrenz durch den Uhudler, da er weniger Spritzmittel benötigt und somit viel billiger produziert werden kann. Der Uhudler degradierte als gesundheitsschädlich und galt aufgrund seines typischen Geschmacks als „vulgär“. So wurde 1961 das Uhudler-Verbot weiter bekräftigt. 1985 wurde der Uhudler sogar zum „weinähnlichen Getränk“ erklärt und mit verdorbenen Wein gleichgestellt.
Umso mehr Hochachtung verdienen einzelne widerständige Winzer, Uhudler-Rebellen, denen es zu verdanken ist, dass der Uhudler nicht ausgerottet wurde. Der „Verein der Uhudlerfreunde“ wurde 1989 gegründet und schaffte 1992 die Legalisierung des Uhudlers. Das Paradoxe an der Geschichte ist, dass gerade die jahrzehntelange, übertriebene Denunziation ihn heute so begehrenswert macht.
Nicht einmal die EU-Verordnung kann diese Erfolgsgeschichte trüben, indem sie 1996 drei Sorten – Noah, Isabella und Othella – verbot.
Dieses Zeitdokument ist eine Hommage an den Uhudler und lädt ein, zum Nabel des Uhudlerlandes, nach Heiligenbrunn, zu reisen, wo die alten idyllischen Kellerviertel erhalten sind. Fünfzig Rezepte rund um den Uhudler inspirieren zum Nachahmen und zu köstlichen Eigenkreationen.
Claudia Hoffer
Walter Eckhart, Robert Sommer – UhudlerLegende. Vom Wein der Gesetzlosen zur regionalen Köstlichkeit. Herausgegeben mit 50 Rezepten.
Mandelbaum Verlag Wien, 2008. 172 Seiten, € 22,90 (A).
Bereich: Sachbuch – Kulinarik