Ruth Rendell – Ein Ende mit Tränen

Bitte nicht pensionieren!

Souverän und elegant löst Chief Inspector Reginald Wexford Kriminalfälle in und um Kingsmarkham / England – und das seit 1964. Auch der 20. Fall für Wexford ist voll britischer Noblesse. Die Themen in Ruth Rendells aktuellem Krimi sind allerdings alles andere als elegant: Leihmutter-Betrug, Entführung von Kindern aus Afrika, um sie kinderlosen Frauen zu verkaufen.

Alles beginnt mit einem Mordanschlag mittels Steinwurf. Das potentielle Opfer, Amber Marshalson entkommt vorerst. Kurze Zeit darauf findet deren Vater ihre Leiche. Als dann auch noch eine Freundin von Amber ermordet aufgefunden wird, taucht langsam eine unmoralische Gemeinsamkeit zwischen den beiden Teenagern auf: Betrügereien als Leihmütter.

Das Thema Leihmutterschaft erhält auch in Wexfords Privatleben eine Bedeutung: Seine Tochter Sylvia hat sich bereit erklärt, für ihren Ex-Mann und dessen Freundin ein Kind auszutragen. Bei Wexford hängt der Haussegen dramatisch schief – die Einstellungsunterschiede zwischen ihm und seiner Frau Dora hinsichtlich dieser Entscheidung stürzt sie beide in eine (Ehe-)Krise.

Dieser familiären Herausforderung nicht genug, ist auch seine Mitarbeiterin Sergeant Hannah Goldsmith, bemüht um politische Korrektheit in jeder Lage, nicht immer glücklich über Wexfords Formulierungen in Hinblick auf traditionelles Zusammenleben, Spannungen bleiben nicht aus. „Hannah – Wexford empfand ihr übertriebenes Maß an politischer Korrektheit als lächerlich – sagte zu ihm in jenem freundlich-nachsichtigen Ton, den sie oft in Gesprächen mit ihm anschlug: ‚Das müsste seine Partnerin sein.‘ ‚Höchstwahrscheinlich seine Ehefrau.‘“

Eine wichtige Rolle spielt in „Ende mit Tränen“ übrigens das Wetter. Die (wochenlange) brütende Hitze (die beim Lesen richtig spürbar wird) trägt dazu bei, dass eine Leiche gefunden wird. Der spätere Kälteeinbruch löst eine völlig unerwartete Situation aus.

Mit leichter Hand führt Ruth Rendell die LeserInnen durch unterschiedliche Handlungsebenen: zu seltsamen Familienkonstellationen, zu einer überaus hilfsbereiten Hebamme, zu einer Großmutter im Wald. Und wieder führt die Autorin dabei auch erfahrene Wexford-RomankennerInnen an der Nase herum, denn am Schluß ist vieles nicht so, wie sich die LeserInnen dies vorgestellt haben.

Ebenfalls kaum vorstellbar: Obwohl Chief Inspector Wexford seit bereits 35 Jahren ermittelt, scheint er nicht zu altern, abgesehen von manchen liebenswürdigen Schrulligkeiten. „Seit 1964 ist der Chief Inspector nun so um die 55 Jahre alt, und auch sein Adlatus hält sich wacker. Nur die andern werden immer älter. Ein Sieg der Literatur.“, schreibt Günther Grosser*. Ruth Rendell gelingt es nach wie vor, die Figur des Chief Inspectors glaubwürdig zu gestalten und aktuelle Themen in ein spannendes „Whodunnit“- Lesevergnügen zu verpacken. Bleibt zu hoffen, daß sie den Inspector nicht so bald in Pension schickt – und sie selbst auch noch lange im schreibenden Amt bleibt.

Petra Öllinger

Cover: Ruth Rendell - ein Ende mit Tränen
Cover: Ruth Rendell - ein Ende mit Tränen

Ruth Rendell – Ein Ende mit Tränen. Originaltitel: End in Tears.
Blanvalet, Randomhouse, München, 2008. 384 Seiten, € 20,60 (A).
Ins Deutsche übertragen von Eva L. Wahser.

Bereich: Kriminalroman

Wikipedia – über Ruth Rendell

Günther Grosser* – „Fischen mit Inspector Wexford“ , Berliner Zeitung, 2. September 2004.

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