Frauenwahlrecht

3sat: Am 14.12.2008 ist Thementag Frauenwahlrecht

20.15 Uhr: Feature von Renata Schmidtkunz: „Alles, was Recht ist! 90 Jahre Frauenwahlrecht“

Die ehemalige österreichische Frauenministerin Johanna Dohnal:
„Mit 90 Jahre Frauenwahlrecht feiern wir den ersten Schritt zu einem Prozess, der damit begonnen hat, klar zu machen, dass Frauen Menschen sind.“

Am 12.November 1918, zeitgleich mit der Ausrufung der Republik „Deutsch-Österreich“, erhielten die Frauen Österreichs ein Menschen- und Bürgerinnenrecht, für das sie Jahrzehnte lang gekämpft und auf das sie lange gewartet hatten: das aktive und passive Wahlrecht. Drei Tage zuvor hatten in Berlin Philipp Scheidemann und Karl Liebknecht ebenfalls die Republik ausgerufen – und auch die deutschen Frauen wurden so vollwertige Bürgerinnen.
Der Weg dorthin war steinig, und viele Frauen – wie die Präsidentin des „Ersten Wiener demokratischen Frauenvereins“ Karoline Perin – zahlten für ihr Engagement einen hohen Preis: Perin wurde nach der Niederschlagung der Revolution von 1848, an der sie sich aus feministischer Perspektive beteiligt hatte, enteignet, das Sorgerecht für ihre Kinder wurde ihr entzogen und sie musste für einige Jahre ihre Heimat verlassen.

Einen wesentlichen Wendepunkt auf dem Weg zum Frauenwahlrecht markierte die Entstehung der Sozialdemokratie in den 80-er Jahren des 19.Jahrhunderts, und zwar sowohl in Österreich als auch in Deutschland. Und doch musste erst der erste Weltkrieg, das Ende Monarchien und die grundlegende Veränderung der deutschen und österreichischen Sozialstrukturen stattfinden, ehe man(n) den Frauen zugestand, worüber die Männer längst verfügten: das Recht, an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen beteiligt zu werden.

In Großbritannien gründete die Suffragette (das Wort kommt vom englischen Wort „suffrage“ = Wahl) Emmeline Pankhurst 1903 die „Women’s Social and Political Union“, eine radikal-bürgerliche Frauenbewegung, die durch öffentliche Proteste ihrer Forderung nach dem Wahlrecht Nachdruck verlieh. 1918 bekamen die britischen Frauen ein eingeschränktes Wahlrecht, erst 1928 wurden sie völlig gleichberechtigt.
Das erste europäische Land, das Frauen das aktive und passive Wahlrecht zugestand, war Finnland im Jahr 1906.

Die Historikerin Brigitte Hamann:
„Das Frauenwahlrecht war der Anfang der Emanzipation der Frauen. Dass sie gleichberechtigt neben ihren Männern an der Wahlurne stehen konnten, das war ja schon ein riesen Fortschritt. Und das Selbstbewusstsein der Frauen wurde ganz maßgeblich durch dieses Wahlrecht bestimmt.“

Die ersten Wahlen, an denen Frauen in Österreich beteiligt waren, fanden am 16.Februar 1919 statt. Von den insgesamt 170 Abgeordneten zogen im März 1919 acht Frauen ins neugewählte Parlament ein: sieben Sozialdemokratinnen und eine Christlich-Soziale. Nun hieß es, sich unter den Männern Gehör zu verschaffen.

Die frauenpolitischen Forderungen der Sozialdemokratinnen in den folgenden Jahren lauteten so: gleicher Zugang zu Bildungs- und Berufsmöglichkeiten, gleicher Lohn für gleiche Leistung, Schaffung von sozialpolitischen Einrichtungen wie Kindergärten und Tagesstätten. Eine Änderung des patriarchalischen Familienrechts, die Einführung der Fristen- und Indikationenregelung und die Schaffung eines umfassenden Sozialversicherungssystems.

Die Vorständin des „Institutes für Frauen- und Geschlechterforschung“ an der Johannes Kepler-Universität Linz Gabriella Hauch:
„Diese Frauen waren Spezialistinnen für Frauenangelegenheiten. Da waren sie keine Konkurrenz für ihre männlichen Mitbewerber. Das war also ihr Garten, wo sie sich ausleben konnten.“

Jenen Frauen, die dem klassischen Frauenbild, das auch im Parlament vorherrschte, nicht entsprechen wollten, die sich also nicht nur mit sogenannten Frauenthemen beschäftigen wollten, blies ein kalter Wind entgegen. Eine Erfahrung, die Politikerinnen bis heute machen.

Eine der bedeutendsten Vorkämpferinnen für Frauenrechte war die Arbeitertochter Adelheid Popp (1869 – 1939), Begründerin der proletarischen Frauenbewegung in Österreich.
„Die Frau im Dritten Reich!“ – unter diesem Titel hielt die Sozialdemokratin im Juli 1932 ein visionärer Vortrag in München:
„Frauen und Mütter: heute noch seid Ihr gleichberechtigte Frauen, morgen schon könnt Ihr rechtlose Mägde sein, gut genug, Kanonenfutter für die Rüstungsindustrie aufzuziehen.“

Das Frauenbild des Nationalsozialismus war ein Rückschritt hinter das bereits Erreichte. Ein NS-Propagandafilm formuliert es so:
„Die Jungen werden zu politischen Soldaten, die Mädel zu starken und tapferen Frauen erzogen, die unsere nationalsozialistische Weltanschauung später in ihren Familien als Frauen und Mütter leben und gestalten.“

Johanna Dohnal, von 1990 – 1995 erste österreichische Frauenministerin:
„Das Frauenbild der Nationalsozialisten wurde nach Ende des Krieges in keiner Partei, auch nicht in meiner eigenen, aufgearbeitet. Und das zog sich dann bis in die 70-er Jahre.“

Die großen Veränderungen für die Frauen kamen ab den 70-er Jahren. Unter dem Sozialdemokraten Bruno Kreisky (1911 – 1990) wurde nicht nur das bis dahin noch immer auf dem „Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch“ von 1811 basierende Familienrecht reformiert, das den Mann zum „Haupt der Familie“ und die Frau zu seiner gehorsamen Gattin und Mutter seiner Kinder gemacht hatte, sondern in der großen Strafrechtsreform von 1975 auch die Fristenlösung gesetzlich verankert.
Frauen sind dem Gesetze nach Männer völlig gleichberechtigt. Weltweit liegt der Anteil von Parlamentarierinnen bei 10 Prozent. Allerdings gibt es löbliche Ausnahmen: Ruanda kann 54 Prozent weibliche Abgeordnete aufweise, Schweden 45 Prozent. Bis zur letzten NR-Wahl im September 2008 gab es 32 Prozent Frauen im österreichischen Parlament. Nach der Wahl sind es nur mehr 27,5 Prozent.
Ein Grund, warum die erste Nationalratspräsidentin des österreichischen Parlamentarismus, Barbara Prammer, laut über Quotenregelungen für die Parlamentsparteien nachdenkt. Denn Frauenanliegen und Frauenperspektiven auf politische Fragen können nur von Frauen eingebracht werden.

Die Frauenrechtlerin und Journalistin Alice Schwarzer:
„Das Wichtigste aber scheint mir, dass wir erkannt haben, dass die Benachteiligung von Frauen kein Zufall ist, sondern System.“

Frauenministerin a.D. Johanna Dohnal:
„Ich wünsche den Frauen, dass sie weiter kämpfen und sich nichts gefallen lassen. Alles müssen sie sich selbst erkämpfen. Geschenkt wird es nicht.“

Siehe auch den Beitrag „FRAUEN WÄHLET“

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