Tagebuchaufzeichnungen und Berichte aus Wien-Mariahilf – Teil 4
An dieser Stelle möchten wir – Theophilus Makadamia und Petra Öllinger – uns bedanken bei:
Professor Doktor Mechthild Scheiblett, mit ihrer Hilfe ist es gelungen, unter anderem das Wort „Bierkäse“ aus dem Mausischen zu übersetzen.
Ruppert aus dem Emmental und Almut Almý, die keine Zeit und Mühe scheuten, um im Archiv des Radiosenders FM-AUS nach einem wichtigen Tondokument zu suchen.
Herrn Doktor van Keehs für seinen unermüdlichen Einsatz auch für Nicht-Seinesgleichen.
Nun geht’s aber wirklich los.
Mit letzter Kraft konnte ich mich am Fußhebel des Altmetall-Containers festhalten. Wenn der Frühlingswind aus der Millergasse auf jenen vom Mariahilfer Platzl trifft; oha! Sehr gefährlich diese Schnittstelle. Der ganze Kasten wackelte beängstigend. Im Inneren raschelten Aludeckel, schepperten Keks- und Fisch- und Hundefutter- und Katzenfutter- und Getränkedosen. Nur ein kurzes Stück trennte mich noch von meiner Wohnung. Aber loslassen?! Um gegen den Baumstamm1 oder gar gegen die Mülltonnen beim Malvenhain zu krachen?
Ich weiß nicht mehr, wie lange ich mich am Hebel festkrallte. Eine besonders heftige Böe riss mir den Boden unter den Pfoten weg, ich hing waagrecht!!! in der Luft. Der Wind pfiff mir durchs Fell, klatschte meine Ohren scharf nach hinten. Was für ein unwürdiger Anblick! Ich weiß nicht, wie mir geschah. Plötzlich stand Erwin neben mir. Mampfend, dem Sturm mühelos trotzend (kein Wunder bei seiner Körperfülle) betrachtete er mich eine Weile und nickte anerkennend. „Schnittig, schnittig, Leo.“
„Ich wünschte“, rief ich, „du würdest deinen Sarkasmus zügeln und mir stattdessen behilflich sein!“
Vom Mariahilfer Platzl peitschte der Wind einen Kaffeepappbecher an uns vorbei. Braune Sprenkel landeten auf Erwins Knien. Wie ich wohl aussah? Ich wollte es in diesem Moment gar nicht wissen. Mit zwei großen Bissen wanderte der Rest des undefinierbaren Zeugs aus Erwins Pfoten in seinen Magen. Kaum hatte er hinuntergeschluckt, packte er meine linke Pfote und zog sie vom Hebel. Ich traute mich nicht, auch mit der rechten Pfote loszulassen. Was, wenn wir gemeinsam vom Winde verweht würden? Erwins Prankengriff konnte ich mich allerdings nicht lange widersetzen, schon war auch meine rechte Pfote „befreit“. Ich sah mich bereits über Mariahilf fliegen, da schnappte Erwin mein Gilet und zog mich über die Fügergasse2. Der starke Wind raubte mir fast den Atem.
„Das ist gar nichts, du hättest damals auf der ‚Mausolos‘ dabei sein sollen. DAS war ein Wind!“, brüllte Erwin, während er mich zu meiner Wohnung zerrte.
Ein Zigarettenstummel und ein Hundegacksackerl tanzten im Rhythmus einer Böe am Eingang vorbei. Ich wollte ihn noch zu einer kleinen Stärkung hineinbitten, da war er schon in die Millergasse abgebogen. Begleitet von einem fettigen Stanitzel und einem Apfelputz, die ihm hinterherhüpften.
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1 Herr Leopold meinte damit den Lederhülsenbaum, der den Beginn der Millergasse einem Felsen in der Brandung gleich unbeugsam und stolz markiert.
2 Erwin bestand an dieser Stelle auf folgende Erklärung: „Der Leo war so ein Zniachterl, das war gar kein Problem, den hinter sich herzuziehen.“
Fortsetzung folgt am 24. März 2015
Bisher erschienen:
Teil 1 – Vorstellrunde aller Mäuse
Teil 2 – Vorwort von Theophilus Makadamia
Teil 3 – Vorwort von Petra Öllinger