Gmeiner Verlag – Wien literarisch

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„Und manchmal weiß ich nicht, wo mir der Kopf steht vor lauter Wien.“1

Andreas Pittler Wiener Bagage

Es muss ja nicht immer das Riesendradl sein. Oder die kandierten Sisi-Veilchen. Oder der Steffl. Oder das Schönbrunner Gelb. Oder das goldne Wiener Herz. Obwohl, das goldne Wiener Herz, das hat schon was. Was resch-Herbes hat es, so ein „Schleichts eich! So a Bagage!“ Darunter kommt aber eh schon das Punschkrapferlrosa durch, wenn sich das Herz ein bisserl beruhigt hat. Überhaupt, diese Bagage.
Aber, das muss man ihm lassen, da hat sich der Gmeiner Verlag schon was traut, nennt ein Büchl „Wiener Bagage“. Mit Kriminalgschichten.
14 sind‘s, 14 historische Kriminalgeschichten. Vom Andreas Pittler. Sieben sind erfunden, die anderen sieben beruhen auf historischen Tatsachen. So basiert zum Beispiel „Der letzte Tanz“ auf den Februaraufständen 1934, und der Anhang in dieser Bagage bietet einen interessanten Einblick in historische, gar grausliche Ereignisse, die sich in der schönen Wienerstadt zugetragen haben. Ergänzt werden die Kriminalgeschichten durch ein Glossar, wo unter anderem das Geheimnis um Wiener Wörter wie Tschumpass oder Addendum gelüftet wird.

Andreas Pittler: Wiener Bagage. 14 Wiener Kriminalgeschichten. 283 Seiten

Anna Fuchs Der blaue Liebesknoten

Wer in der Historie ein bisserl weiter zurückreisen möchte, kann das mit Anna Fuchs’ „Der blaue Liebesknoten“ tun. In diesem Roman aus dem mittelalterlichen Wien gelangt man immerhin bis ins Jahr 1384, genauer gesagt startet der ganze Bahöö in Prag, am 13. Dezember 1378, am Tag des Heiligen Jodokus. Und was für Falotten sich da herumtreiben! Sakrament – ein toter Mönch, ein Anschlag auf die Herzogsfamilie, eine Klosterköchin, die als Giftmischerin verdächtigt wird, und man ist gar nicht zimperlich mit dem Aussprechen eines Todesurteils. Noch dazu eines besonders scheußlichen: am Stephansfriedhof lebendig begraben werden soll sie, Johanna, Hannerl, Maipelt. Da helfen auch die vielen Heiligen – zumindest auf den ersten Blick – nix, denen die einzelnen Tage gewidmet sind. Zum Beispiel der 26. Juli 1384, der Annentag, der mit der Bemerkung beginnt: „Ich sag euch ja, die sind ein himmelschreiend verrücktes Volk, die Wiener, heute zum Beispiel musste ich allen Arbeitern freigeben, deren Mutter, Frau oder Tochter Anna heißen! …“
Sakrament! Vielleicht sind‘s dann doch die Heiligen, die Hannerl vor ihrem Schicksal bewahren, auf dass sie die wahren Schlawiner entdeckt …

Anna Fuchs: Der blaue Liebesknoten. Hannerl ermittelt. 501 Seiten

Gerhard Loibelsberger Kaiser Kraut und Kiberer

Zurück zum Anfang des 20. Jahrhunderts – und kein End mit dieser Bagage; und diesen Pülchern und Fetzenschädeln! Mit der muss sich Inspector Joseph Maria Nechyba herumschlagen. Der Herr Autor, Gerhard Loibelsberger, lässt in „Kaiser, Kraut und Kiberer“ den koch- und essfreudigen Mann des Gesetzes nicht nur in Wien ermitteln, sondern schickt ihn in den dreizehn Kurzgeschichten auch nach Venedig (Nechybas Hochzeitsreise plus Diebstahl) und Freiburg (Einfangen eines homosexuellen Erzherzogs).
Derweil bekommt am Naschmarkt in Wien der Begriff Wurstfinger gleich eine ganz andere Bedeutung, wenn ein Finger, der vorher in der Faschmiermaschine verwurschtet wurde, in eben dieser Wurst, in der „Schoafen“, steckt. Und im Prater, da blühen nicht die Bäume, sondern es wird sich duelliert, und so manches Wiener Café entpuppt sich auf den zweiten Blick als Tschecherl mit gar verdächtigen Besuchern.

Gerhard Loibelsberger: Kaiser, Kraut und Kiberer. Ermittlungen im alten Wien, in Venedig und Freiburg. 279 Seiten

Gerhard Loibelsberger Wiener Seele

Der Herr Autor, Gerhard Loibelsberger, schickt nicht nur den Herrn Jospeh Maria Nechyba durch die Wienerstadt, er tut dies auch mit zeitgenössischen Autorinnen und Autoren. Dreizehn an der Zahl (u. a. Cornelia Travnicek, Peter Henisch) schreiben „Spannendes und Skurriles aus der Donaumetropole“ über die „Wiener Seele“. Die reißt eine/n um zwischen Punschkrapferlrosa und Bagage!-Rufen, eine Zwiespältigkeit, die durch manche Zeilen hindurchblitzt, zum Beispiel in Ekaterina Heiders Text „Trotz allem geblieben. Zwischen Ottakring, Karlsplatz, Christkindlmarkt und AMS“, wo „Geschichten gesehen, gehört“ und „manchmal wieder ausgekotzt“ werden.

Gerhard Loibelsberger (Hg.): Wiener Seele. Spannendes und Skurriles über die Donaumetropole. 283 Seiten

Petra Öllinger

1: Aus Ekaterina Heider „Trotz allem geblieben. Zwischen Ottakring, Karlsplatz, Christkindlmarkt und AMS“, erschienen in „Wiener Seele. Spannendes und Skurriles aus der Donaumetropole“.

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