Im Rahmen unseres Literaturquizes widmen wir die beiden literarischen Rätsel im November dem Thema „Die Novemberpogrome im Spiegel der Literatur“. Vorgestellt werden zwei österreichische ExilautorInnen, in deren Werk die Tage um den 10. November Erwähnung finden.
Die Quizfragen
- Welchen Namen trägt die Autorin vor ihrer Heirat?
- Nennen Sie zwei ihrer Pseudonyme.
- Wie heißt ihr 1992 im Schauspielhaus Zürich uraufgeführtes Stück?
- Wie lautet der Titel des 2. Bandes der Biografie ihres Mannes?
Antworten bitte bis zum 19. November 2013 um 12:00 Uhr an: Literaturblog Duftender Doppelpunkt oder über das Kontaktformular.
Erinnerung: Wenn Sie an die jeweils aktuelle Quizrunde erinnert werden möchten, senden Sie bitte einfach ein leeres Mail mit dem Betreff „Literaturquiz Erinnerung“ an das Literaturblog Duftenden Doppelpunkt oder via Kontaktformular.
Einen Gesamtüberblick über alle bisher veröffentlichten literarischen Rätsel können Sie sich auf der Seite „Literaturquiz zur Bücherverbrennung 1933“ verschaffen.
Dank der großzügigen Buchspenden von über 50 Verlagen gibt es auch in dieser Quizrunde einige Bücher zu gewinnen!
Das literarische Rätsel
Ernst Fischer beschreibt die gesuchte Autorin folgendermaßen: „Sie war stolz und voller Scham. Ihre Güte war das Destillat einer dunkel glühenden Leidenschaft. Schönes weißes Gesicht; Schnee bedeckt den Vulkan. Schwarzer Handschuh, mag es noch so heiß sein; denn ihr fehlt ein Arm. Anstatt einer Prothese trägt sie einen mit Bauschen ausgestopften Ärmel, der schlaff herabhängt. Man fragt nicht danach, man spricht nicht davon, doch dieser Defekt ist ein Bestandteil ihrer Persönlichkeit. Sie hat gelernt, sich so zu bewegen, mit solcher Souveränität, als fehle dieser Arm nicht, gelernt, über Fehlendes, nicht in Erfüllung Gegangenes hinwegzusehen. (…) Nie spricht sie von sich; doch einmal fragt sie nebenbei, während sie mich in englischer Konversation unterrichtet: Sind Sie eifersüchtig? – Nein – Obwohl Sie Ruth lieben? – Ich bin kein Gutsbesitzer – Das ist schön, das ist sehr schön. Magd sein ist keine Erniedrigung, wenn man sich selber so genannt hat, um sich selber beim Wort zu nehmen; der Stolz wählt das Gewand der Demut, Dienst als Würde, freiwillige Bescheidung. Ihre Fähigkeit zu lieben war unerschöpflich, auf Besitz verzichtend, allen zu helfen bereit.“
Ihre früheste bisher bekannt gewordene Veröffentlichung, die Erzählung „Der Sieger“, erscheint im Juni 1932 in der Arbeiter-Zeitung, dem Zentralorgan der österreichischen Sozialdemokratie. Noch im selben Jahr wird im Malik-Verlag die von Wieland Herzfelde herausgegebene Anthologie „Dreißig neue Erzähler des neuen Deutschland“ publiziert. Sie ist darin unter dem Pseudonym Veza Magd mit dem Text „Geduld bringt Rosen“ vertreten. Bereits wenige Monate später befindet sich das Buch auf der vom Bibliothekar Wolfgang Herrmann erstellten „Schwarzen Liste“ und geht auf den Scheiterhaufen der Bücherverbrennungen des Jahres 1933 in Flammen auf.
Während viele AutorInnen das Deutsche Reich bereits verlassen haben und andere im Konzentrationslager Erniedrigung und Folter ausgesetzt sind, wird ihre Kurzgeschichte „Ein Kind rollt Gold“ unter über 800 Einsendungen bei einem Preisausschreiben der Arbeiter-Zeitung als bester Beitrag ausgezeichnet.
Sie veröffentlicht zeitlebens unter Pseudonymen. Über deren Verwendung schreibt sie 1950 rückblickend: „Ich selbst bin Sozialistin und schrieb in Wien für die ‚Arbeiter-Zeitung‘ unter drei Pseudonymen, weil der sehr liebe Dr. König (…) mir bärbeißig klarmachte, ‚bei dem latenten Antisemitismus kann man von einer Jüdin nicht so viele Geschichten und Romane bringen, und Ihre sind leider die besten.‘.“
Geboren wird sie 1897 in Wien als Venetiana Taubner-Calderon. Ihren zukünftigen Mann, er wird 1981 den Literaturnobelpreis erhalten, lernt sie 1924 bei einer Vorlesung von Karl Kraus kennen. Im 2. Band seiner Autobiografie erinnert er sich an ihre erste Begegnung: „Sie sah sehr fremd aus, eine Kostbarkeit, ein Wesen, wie man es nie in Wien, wohl aber auf einer persischen Miniatur erwartet hätte. Ihre hochgeschwungenen Brauen, ihre langen, schwarzen Wimpern, mit denen sie, auf virtuose Weise, bald rasch, bald langsam spielte, brachten mich in Verlegenheit. Ich schaute immer auf die Wimpern statt in die Augen und wunderte mich über den kleinen Mund.“
Das Zusammenleben der beiden gestaltet sich spannungsreich und wird durch seine Beziehungen zu anderen Frauen belastet. Zeitweise werden ihre Selbstmorddrohungen mit seinen paranoiden Anfällen wechseln: So wähnt er im von ihr angebotenen Tee Gift, oder befürchtet erdolcht zu werden.
Anfang der 30er Jahre definiert sie die Beziehung neu. Sie hält ihm gegenüber fest, dass ihr Verhältnis zueinander „unlöslich“ sei „und Dein Atem ist mir notwendig wie Dir meiner. Nichts kann uns trennen und niemand. Du bist für mich nicht nur der grösste heute lebende Mensch, sondern Du bist auch der gütigste in meinen Augen. (…) Ich stehe wie die beste Mutter zu Dir und nichts kann Dich uns rauben. Nur eines musst Du beachten. Dass das letzte, das dürrste in unserer Beziehung getrennt werden muss. (…) Ich sehe durchaus ein, dass Du deine Freiheit, Deine Abenteuer und Geheimnisse haben musst. Doch sehe ich nicht ein, warum ich mich dadurch erniedrigt fühlen soll!“
So greift sie beispielsweise ein, als im Sommer 1933 seine Beziehung zu Anna Mahler endet: „Vezas neue Rolle in dieser Zeit ist eine schützende. Sie freundet sich auf das Engste mit Anna an, um durch Kenntnis das Schlimmste von mir abzuwehren. Durch eine neue Liebe sucht sie mich von Anna abzulenken und begünstigt Friedl.“
Ihre literarischen Ambitionen ordnet sie dem Schaffen ihres Mannes unter. Über den Tod hinaus, er überlebt sie um 31 Jahre, wird der Blick auf ihr Werk und die Erinnerung an ihre Person von seiner Sichtweise geprägt.
Nach ihrem Ableben wird er ihr fast alle seine Bücher widmen und gleichzeitig in seiner Autobiografie mit keinem Wort erwähnen, dass sie ebenfalls als Schriftstellerin tätig war.
Es dauert 27 Jahre, bis er erstmals Texte aus ihrem Nachlass zur Veröffentlichung freigibt. In seinem Vorwort zu ihrem 1990 erscheinenden Novellenzyklus „Die Gelbe Straße“ heißt es: „Um sich nicht aufzugeben, begann sie selber zu schreiben, und um die Geste des großen Vorhabens, die ich brauchte, nicht zu gefährden, behandelte sie ihr Eigenes, als wäre es nichts.“
Es folgen weitere Bücher, bis 2001 die postume Veröffentlichung ihrer literarischen Texte mit dem Sammelband .“Der Fund“ vorerst abgeschlossen ist. 2006 wird noch die drei Jahre zuvor aufgefundene Korrespondenz zwischen dem Ehepaar und Georg, dem jüngeren Bruder des Mannes, nachgereicht. Ob sich im auf dreißig Jahre gesperrten Nachlass ihres Mannes noch Manuskripte von ihr befinden, wird sich 2024 herausstellen.
Ihr Schreiben ist vielschichtig, differenziert und von einem scharfen Blick auf soziale Ungerechtigkeiten gekennzeichnet. In ihren literarischen Arbeiten bezieht sie klar Stellung und bleibt gleichzeitig in ihrer Sichtweise keineswegs eindimensional.
In dem Roman „Die Schildkröten“, er entsteht 1939 im Londoner Exil, verarbeitet sie ihre Erlebnisse in den Monaten zwischen der Annexion Österreichs und der Flucht mit ihrem Mann ins rettende Ausland. Das Buch ist eines der wenigen Werke, in dem die Atmosphäre des Jahres 1938 mit ihren Pogromen Eingang gefunden hat.
Es ist die Geschichte des jüdischen Gelehrten Dr. Andreas Kain und seiner Frau Eva.
„Die Angst trägt eine braune Uniform und die Swastika. Sie steigert sich in eine schwarze Uniform mit Totenköpfen. Sie erreicht den Höhepunkt in einem Führer, der nichts Menschliches an sich hat als seine Unmenschlichkeit.“
„Er malte jetzt sein Glaubensbekenntnis auf die Scheiben des Kaffeehauses und ließ es sich nicht nehmen, ein stolzes ‚e‘ anzufügen. Dies wurde ihm aber von dem Mann mit den Totenköpfen verboten. Er mußte aus ‚Jude‘ ‚Jud‘ machen und tat es widerwillig, indessen die Menschen um ihn in Ekstase gerieten. Nach Beendigung zog er die Börse und zahlte fünf Mark für die Benützung der Farbe und des Pinsels.“
Der Roman legt Zeugnis ab, über die Ausgrenzung, Erniedrigungen und Ermordung von Menschen. Symbol- und beispielhaft ist der Titel des Buches bzw. das Schicksal des Tieres, das seine Heimat auf dem Rücken mitschleppen muss.
„‚Die Tempel brennen!‘ rief Felberbaum mit einem jeden Menschen und selbst Gott anklagenden Ton.“
Obwohl Eva und Andreas Kain das erlösende britische Visum erhalten, bietet „Die Schildkröten“ keine Happy End: Mit der Asche seines Bruders, der im KZ Buchenwald ermordet wurde, verlassen sie das Land.
Die Emigration nach London unterbricht die schriftstellerische Laufbahn der Autorin jäh. Sie findet Arbeit als Übersetzerin. So überträgt sie „Die Macht und die Herrlichkeit“ von Graham Greene aus dem Englischen. Ein Gutteil ihres kreativen Potenzials fließt in den Aufbau der Karriere ihres Mannes. Sie ist ihm literarische Ratgeberin, lektoriert und tippt seine handschriftlichen Manuskripte.
Für ihre eigenen Texte findet sie keinen Verlag. Einige Jahre vor ihrem Tod gibt sie das Schreiben auf und vernichtet einen Teil ihrer Manuskripte.
Sie stirbt am 1. Mai 1963 in London.
Über 200 weitere AutorInnen finden Sie in der Zusammenstellung “Bücheverbrennung – Exilliteratur” auf petra-oellinger.at.
Foto: Razzia der SS in der israelitischen Kultusgemeinde (Gemeindehaus), Seitenstettengasse 4, 1010 Wien. Die Datei ist unter der Creative Commons-Lizenz Bundesarchiv, Bild 152-64-40 / CC-BY-SA lizenziert.
Lieber Hartlieb Wild!
Man kann nie genüg Quellen/Links zu diesem Thema haben. Vielen Dank für die beiden Hinweise.
Herzliche Grüße,
die „Duftenden Doppelpunkte“
… 2 Links vielleicht von Interesse, oder eventuellauch ohenhin bekannt:
Die „Bibliothek verbrannter Bpcher“
http://www.verbrannte-buecher.de/
Und WIkipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_verbrannten_B%C3%BCcher_1933