Kamel des Monats oder Als Pinguin das Eigene zum Weltentreiben hinzufügen.
Die Lektüre von Angelika Alitis Bücher ist kein gemütlicher Spaziergang. Weder für Pinguine noch für Kamele. Und für Menschen schon gar nicht.
Die Philosophin, Kulturschaffende, Theatermacherin und Autorin, sie schrieb beispielsweise „Die Wilde Frau“ oder „Das Maß aller Dinge“, offeriert keine Patentrezepte für ein „glückliches“ Leben und schon gar kein „In-sechs-Wochen-aus-dem-emotionalem-Loch“-Gequake. Diese aus so manchem Ratgeber bekannten Ingredienzien für ein „erfolgreiches“ Leben bleiben unberücksichtigt.
In „Erfüllung – vom Leben getragen“ wird der/dem Suchenden keine vorgefertigte Landkarte des menschlichen Daseins geboten. Die Wege hinein in das eigene Element des Lebens sind so unterschiedlich wie die Menschen: gepflastert, steinig, geradlinig, kurvig, ansteigend. Es tun sich Abgründe auf, oder die „Wandersfrau/der „Wandersmann“ steckt in einer Sackgasse fest. Die Entscheidung an der Weggabelung links abzubiegen ist vielleicht doch verkehrt gewesen? Kann sein. Also umkehren und rechts weitergehen? Möglich. Ein Lebensziel wurde erreicht, aber irgendwie stellt sich keine Zufriedenheit ein? Kann sein. Also weitergehen? Wäre eine Option.
Und für so viele Unwägbarkeiten auch noch siebenundreißig Euro fünfundneunzig. hinblättern? Ja. Begründungen gefällig? Hier eine Auswahl.
„Erfüllung – vom Leben getragen“ öffnet unter anderem die Augen dafür, dass wir beinahe alles tun, „um Kamel des Monats“ zu werden. „Wenn es darum geht, herauszufinden, was wir wollen, fällt uns nichts ein. Wenn es aber darum geht, herauszufinden, was von uns verlangt wird, dann sind wir auf einmal hellwach.“ Und bleiben weiterhin weit entfernt von unserem ureigenen Element.
Die Balance zwischen Eigenverantwortung und sich Auf-das-Leben-Einlassen (vom Leben getragen werden, wie der Buchtitel verkündet) ist ein wichtiger Aspekt in der Arbeit von Angelika Aliti. Andere für die eigene Misere alleine verantwortlich zu machen gilt nicht, ebensowenig wie ständige Selbstvorwürfe, es nicht geschafft zu haben.Angelika Aliti zeigt unter anderem, dass ein Ziel hinter dem ersten Ziel, das zum Aufbruch bewegt, stehen soll. Nicht in Form eines perfekt ausgetüftelten „Business-Plans“, sondern als „weiter“ und „flexibler Horizont“. Denn hin und wieder kommt es am Ende anders, „als wir gedacht haben, wir dürfen nicht vergessen, dass es unsere Gedanken und Vorstellungen sind, die die zukünftigen Ereignisse ebenso formen wie die unveränderbaren äußeren Umstände, die außerhalb unseres Einflusses stehen“.
Krisen dienen dazu, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, danach zu fragen, wohin sie eine/n führen. Eine an sich nicht neue Feststellung, jedoch verpackt Angelika Aliti sie nicht in luftig-lockere-Happy-End-Versprechungen, sondern sie macht klar: sich als Pinguin auf den Weg von der Wüste ins Meer und als Kamel vom Meer in die Wüste zu machen geht nicht ohne Blessuren ab. Und automatisch leichter wird das Leben im richtigen Element auch nicht, geschweige denn, dass sich ein „Ruhehaben“ einstellt. Wenn Angelika Aliti von ihren eigenen Irrungen und (Ver-)Wirrungen berichtet, begegnet sie den LeserInnen auf Augenhöhe und nicht als eine Lehrmeisterin, die „Weisheit mit dem Löffel gefressen hat“ und nun allen zeigt, dass das Leben so und nicht anders verläuft. Und es wäre nicht Angelika Aliti, fänden sich nicht Passagen, die den LeserInnen auf humorvolle Art die Möglichkeiten zeigen, sich selbst das Leben zu vermasseln, zum Beispiel mit fehlenden Kniegelenken bei Pinguinen, ein Umstand, der die Fortbewegung in der Wüste mehr als mühsam macht …
Nebenbei erhalten die LeserInnen Einblick in die (Seelen-)Arbeit Angelika Alitis mit Symbolen und den von ihr entwickelten Blütenessenzen (Schlangenberg® Essenzen). Daran anknüpfend gestaltete Athena Stebner ein zauberhaftes Kartenset. Von ihr stammt auch das Titelbild – Tipp: Cover auf den Kopf stellen. Jede der fünfzig Karten, auf der jeweils eine bestimme Blüte und das dazugehörige Symbol abgebildet ist, stellt eine Lebensaufgabe dar; vom (dunklen) Ausgangspunkt hin zum erlösten Sein. Die Karten sind optisch und haptisch ein Vergnügen – liegen sie doch auch ausgezeichnet in der Hand. Erklärungen zu den Karten und ein Leitfaden für die Arbeit mit ihnen finden sich im letzten Drittel des Buches. Auch „nur“ spielerisch kreative Auseinandersetzung mit dem Kartensatz ist „erlaubt“. Denn: „Erfüllung finden wir, wenn das, was wir sind und tun, einen Sinn hat. Diesen Sinn hat es dann, wenn ein Mensch am richtigen Platz ist, sodass sich alle seine Talente entfalten können und er der Welt geben kann, weshalb der geboren wurde, darum geht es ja, dass wir dem großen Weltentreiben das Unsrige hinzufügen.“
Wer also genug hat vom Dasein im falschen Element, egal ob als Kamel oder Pinguin, findet mit „Erfüllung – vom Leben getragen“ eine Unterstützung, um das erfüllte Eigene dem Weltentreiben hinzuzufügen.
Petra Öllinger
Angelika Aliti – Erfüllung – vom Leben getragen. Finde deine Bestimmung und du findest den Sinn des Lebens. Edition Schlangenberg, Bierbaum 2011. 296 Seiten, Box mit Buch und 50 Schlangenbergkarten. Euro 37,95 (A).