2. Armuts- und Reichtumsbericht für Österreich

Armutskonferenz.at

In Österreich lebten zuletzt etwa 1 Million Menschen in armutsgefährdeten Haushalten.

Die Armutsgefährdungsquote ist seit Jahren mit etwa 12 bis 13 Prozent der Bevölkerung unverändert hoch. Jedoch haben bis zu 2 Millionen Menschen Probleme, mit ihrem Einkommen auszukommen. Von Armutsgefährdung sind vor allem Arbeitslose, Menschen mit prekärer Arbeit oder geringer Bildung, AlleinerzieherInnen, kinderreiche Familien sowie MigrantInnen betroffen. Armut zeigt negative Folgen vor allem auf Gesundheit, Wohnqualität, die Bildung der Kinder, individuelle Verwirklichungschancen und soziale Teilhabe.

Gleichzeitig nahm in Österreich der Reichtum zu. Die Zahl von Erwerbstätigen mit hohen Einkommen hat innerhalb von vier Jahren um 52 Prozent auf über 570.500 zugenommen. Rund 700.000 Menschen (8% der Bevölkerung) leben in Haushalten mit hohen Einkommen. Die Zahl Super-Reicher ist innerhalb von vier Jahren um 17 Prozent auf rund 70.000 gestiegen, die Zahl der Privatstiftungen sogar um 28 Prozent auf 3.200. Geld- und Sachvermögen um 63 % auf 3.440 Mrd. Euro gestiegen

Geld- und Sachvermögen um 63 % auf 3.440 Mrd. Euro gestiegen

Die Geldvermögen wurden in Österreich in den letzten 10 Jahren auf ast 2.155 Mrd. Euro mehr als verdoppelt. Den Großteil besitzen die Finanzwirtschaft (1.298 Mrd. Euro) und die Wirtschaft (297 Mrd. Euro), etwa ein Fünftel (454 Mrd. Euro) private Haushalte und Organisationen, knapp 105 Mrd. Euro der öffentliche Sektor. Die Sachvermögen (Erwerbsvermögen der Wirtschaft, öffentliche und private Gebrauchs-, Verbrauchs- und Spekulationsvermögens) betragen zumindest 1.266 Mrd. Euro. Geld- und Sachvermögen zusammen sind von 2.105 auf 3.440 Mrd. Euro bzw. 63 Prozent gestiegen.

Kleine Einkommen stiegen schwach, hohe Einkommen stark

Die Analyse der Einkommensentwicklung zeigt: der Anteil der ArbeitnehmerInnen-Entgelte am Bruttoinlandsprodukt ist weiter zurückgegangen und 2004 erstmals unter 50 Prozent gesunken. Im untersten Einkommensdrittel betrug der Einkommenszuwachs in den letzten 10 Jahren nur insgesamt 9 Prozent, im obersten dagegen über 40 Prozent.

Immer weniger „Normalarbeitsplätze“, rd. 230.000 „working poor“

Nur mehr 57 Prozent der unselbständigen Beschäftigungen waren zuletzt (2006) „Normalarbeitsplätze“, also ganzjährige Vollzeitbeschäftigungen. Der Anstieg atypischer Beschäftigungen mit geringen Einkommen wird immer stärker spürbar. Die Zahl der Menschen, die trotz Erwerbstätigkeit armutsgefährdet sind („working poor“), beträgt rund 230.000 (plus 12% gegenüber 2003).

Selbständigeneinkommen und Betriebsüberschüsse sind gestiegen

Selbständigeneinkommen und Betriebsüberschüsse nahmen weiter zu, ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt stieg 2005 erstmals über 40 Prozent. Die starken Einkommenszuwächse waren zusehends von den Wachstumsraten der Wirtschaft entkoppelt.

Auch die Vermögenseinkommen haben weiter (auf über 62 Mrd. Euro) zugenommen. Vor allem Zinsen haben eine stark umverteilende Wirkung nach oben.

Sozialquote stagnierte bei knapp 29 Prozent

Die Einkünfte aus umverteilten Einkommen bzw. ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt (die „Sozialquote“) stagnierten dagegen in den vergangenen Jahren (bei knapp 29 Prozent) und betrugen zuletzt (2005) knapp 71 Mrd. Euro. Überdurchschnittlich sind in den letzten Jahren vor allem die Ausgaben für Arbeitslose und Sozialhilfe gestiegen, während andere Leistungen nicht erhöht oder gekürzt wurden. Ohne Sozial- und Sozialversicherungsleistungen wären in Österreich 43 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet.

Armut und Armutsgefährdung trotz Sozialleistungen

Trotz Sozial- und Sozialversicherungsleistungen bestanden bis zuletzt (2006) Armut und Armutsgefährdung: So liegen das durchschnittliche Arbeitslosengeld und die durchschnittliche Notstandshilfe in Österreich unter der Armutsgefährdungsgrenze. Auch Pensionist/innen-Haushalte weisen eine überdurchschnittliche Armutsgefährdungsquote auf. Die Ausgleichszulagenrichtsätze hinken den aktuellen Armutsgrenzen hinterher. Der zunehmende Betreuungs- und Pflegebedarf erhöht die Armutsgefährdung von betreuenden, pflegenden Angehörigen, wenn diese ihre Erwerbstätigkeit einschränken (müssen). Trotz verschiedener Familienleistungen ist die Armutsgefährdung von Haushalten mit Kindern nach wie vor überdurchschnittlich, vor allem von kinderreichen, von alleinerziehenden und von Haushalten mit kleinen Kindern. Insgesamt lebten zuletzt (2006) in Österreich rund 260.000 Kinder in armutsgefährdeten Haushalten (plus 33.000 oder 15% gegenüber 1999).

Einfluss der Steuerpolitik auf Armut und Reichtum

Die Steuerpolitik hat maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung von Armut und Reichtum. Die Steuern auf Erwerbsarbeit und Einkommensverwendung sind in den letzten Jahren (seit 2004) weit stärker – um zusammen rund 7 Mrd. Euro – gestiegen als Steuern auf Vermögen bzw. Vermögenseinkommen (nur plus 200 Mio. Euro), obwohl diese weit größer sind als die Einkommen. Die Steuern auf Erwerbseinkommen und deren Verwendung betrugen 2008 rund 60,4 Mrd. Euro (2004: 53,4 Mrd. Euro). Auch im internationalen Vergleich zeigt sich, dass Österreich kein Hochsteuerland ist, bei der Vermögensbesteuerung weist unser Land sogar die geringste der gesamten OECD aus.

Für Verwirklichungschancen sorgen, um Armut zu bekämpfen

Wer Armut bekämpfen will, muss neben ausreichendem Einkommen (etwa durch eine bedarfsorientierte Mindestsicherung) aber vor allem für Verwirklichungschancen (durch Bildung, Einkommen, soziale und öffentliche Dienste usw.) sorgen. Armut wurde Thema der politischen Diskussion. Armut und die Notwendigkeit von Armutsbekämpfung haben in der österreichischen Politik im Laufe der vergangenen zehn Jahre eine Verankerung gefunden. Es ist Bewegung in die Diskussion gekommen. Deutlich mehr politische Maßnahmen zur Armutsbekämpfung wurden ab 2007 gesetzt. Allerdings wird der Zusammenhang mit Reichtum und einer gerechten Verteilung zum Zwecke der Armutsbekämpfung noch zu wenig hergestellt.

Via Apa

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