Georg Schober im Gespräch mit dem Gründer des Portals WIeND.at Reinhard Leitner.
Georg Schober:
Ich habe WIeND.at als Literaturportal kennengelernt auf dem Kurzgeschichten, Gedichte und Rezensionen veröffentlicht werden. Auf der Site wird allerdings wesentlich mehr geboten. Der Bogen spannt sich von der Literatur über die Malerei bis hin zu einer „Erotikecke“ und zum Thema Behinderung und Sexualität.
Was hat dich animiert, WIeND ins Netz zu stellen und wie ist diese Vielfalt entstanden?
Reinhard Leitner:
Seit meinem 14. Lebensjahr schreibe ich Gedichte und Kurzgeschichten. Die Initialzündung war damals ein Gedichtewettbewerb in der Schule, den ich gewann. So schrieb ich also immer wieder etwas, versuchte später dann auch bei einem Verlag unterzukommen, was mir aber nicht gelang (bis auf die Veröffentlichung von einzelnen Texten bzw. kleinen Schultheateraufführungen). So beschloss ich 1998, einige meiner Texte ins Netz zu stellen, um so auf mich aufmerksam zu machen. Gesagt, getan – und da sah ich dann, dass beinahe keiner meine Seiten besuchte. Ich war noch viel zu wenig bekannt. So begann ich damit, rings um meine Gedichte und Kurzgeschichten herum ein Angebot aufzubauen, damit ich Besucher anlocke. Ich versuchte dabei, nicht nur meine persönlichen Interessen abzudecken, sondern auch das anzubieten, was eben Menschen anzieht. … Das Konzept ging auf und so wuchs WIeND.at immer mehr. Nach einiger Zeit sah ich, dass ich zwar noch immer keinen Verlag gefunden hatte ;-), sich dafür aber das Internetprojekt verselbständigt hatte und zu einem eigenen Pfeiler meiner persönlichen Pläne wurde.
Parallel zu den Literaturseiten begann ich 1998 noch mit einer kleinen Website, die sich mit dem Thema Behinderung und Sexualität beschäftigte. Dies geschah aus einer persönlichen Motivation heraus . Nach einigen Monaten entschloss ich mich, die 2 Projekte zusammenzuführen und unter einem Namen weiterzuverfolgen.
Mir ist es nicht nur wichtig, eine gewisse Kernzielgruppe zu erreichen, sondern der besondere Themenmix soll die Möglichkeit eröffnen, den Besucher über den Tellerrand hinausschauen zu lassen, Neues zu entdecken, mit neuen Eindrücken, Erfahrungen … „berührt“ zu werden. Auch diese Vorgangsweise hat sich für mich bewährt und gewisse gedankliche Grenzen bei manchen Besuchern verschoben.
Der Name WIeND setzt sich zusammen aus Wien und Wind. Eine Aufforderung, für ein wenig frischen Wind zu sorgen?
Ja. Zu Beginn suchte ich einen Namen für meinen Internetauftritt. Mein erster Gedanke war OZ … für Online-Zeitung aber auch als Anspielung an den Zauberer von OZ. Diese Internetadresse war aber schon vergeben, so wurde es eben WIeND.at – eine Wortkreation aus Wien und Wind. Wien, weil hier das Projekt seinen Ursprung hat und Wind, weil alle Beteiligten mit ihren verschiedensten Beiträgen frischen Wind in die Internetgemeinde bringen – wie ich weiter oben schon schrieb, Grenzen verschieben, neue Gedanken anregen, für mehr Offenheit plädieren.
Du bietest auf WIeND.at einmal wöchentlich einen Chat. Wie funktioniert die Anmeldung? Wie verläuft ein solcher Abend? Welche Themen werden im Chat diskutiert?
Die Anmeldung beim Chat (basierend auf JAVA) funktioniert folgendermaßen:
1.) www.wiend.at aufrufen.
2.) In der Menüleiste (linker Rand) den Punkt „Chat am …“ auswählen.
3.) Es erscheint ein Fenster (Chat-Login).
4.) (Nick)Name eingeben (im Feld „Your desired chatname“).
5.) Geschlecht auswählen (Feld: Your gender).
6.) Auf „login“ klicken.
7.) Es erscheint nach einiger Zeit ein Dialogfenster mit einer Eingabezeile, die am unteren Ende platziert ist. Mit der Eingabetaste ist dann jede Eingabe zu bestätigen.
Ich probierte auch schon andere technische Lösungen aus, das derzeit verwendete System hat sich aber als das geeigneteste herausgestellt.
Ursprünglich war der Chat ein Literaturchat, entwickelte sich aber mit der Zeit aufgrund der handelnden Personen in eine andere Richtung. Nachdem die Resonanz auf den Literaturchat nicht so groß war, löste ich ihn aus diesem Teilbereich heraus und versetzte ihn auf die erste WIeND.at-Ebene. Die Themen spielten sich dann meistens im Bereich „Behinderung und Sexualität“, Beziehungen, Tagesthemen, etc. ab. Fixe Themen wurden dabei lange Zeit nicht vorgegeben, in den letzten Monaten gingen wir (habe zum Glück noch eine Co-Moderatorin) aber dazu über, auch Tagesthemen vorzugeben. Der Bogen spannt sich dabei von Sinnthemen (Wie finde ich meine Lebensaufgabe?) über persönliche Reflektion (Die Wahrheit liegt im Tun), gesellschaftliche Aufreger (Sollte man den Öl-, Gas-, Benzinpreis an die Rente koppeln), Anregung durch praktische Tipps (Welche Erfahrungen gibt es mit Singlebörsen?) bis hin zur lockeren Plauderei, zu akuten Anliegen von Teilnehmern oder … manchmal wird es einfach ein geselliger Abend, wie bei einem Stammtisch.
Beginn ist um 21 Uhr – das Ende offen … je nachdem, wieviele Leute da sind, wie die Stimmung ist, ob noch irgendwelche wichtigen Punkte offen sind, wieviel Zeit die einzelnen Teilnehmer sich nehmen wollen. Wir waren oft schon um 22 Uhr wieder fertig, ein andermal ging die Diskussion aber auch bis um ein Uhr morgens.
Manchmal sind wir nur zu zweit, ein andermal sind fünf, sechs Leute anwesend. D.h. der Chat von WIeND.at ist kein Massenmedium, sondern lädt zu individuellen Gesprächen ein, so wie wenn man sich mit einer kleinen Freundesgruppe auf einen Kaffee in einem Lokal trifft.
Gibt es eine Zusammenarbeit zwischen WIeND.at und anderen Institutionen aus dem Bereich Literatur oder / und Menschen mit Behinderung.
Es gibt des öfteren einzelne Projekte, die gemeinsam durchgeführt werden.
Beispiele dafür sind z.B.:
– Die Literaturwettbewerbe entnehme ich zu einem großen Teil aus der Zeitschrift „Autoren Solidarität“, Herausgeber: IG Autorinnen Autoren.
– Die einzelnen Beiträge stammen nicht nur von mir, sondern von zahlreichen Künstlern/Autoren, die mir ein oder mehrere Werke zur kostenlosen Veröffentlichung zur Verfügung stellen. Dafür bin ich natürlich sehr dankbar. Einige davon sind schon recht lange mit dabei.
– Die Veranstaltungen flattern beinahe täglich durch diverse Newsletter und Mails herein.
– Mit Freak-Radio gab es schon einige gemeinsame Aktionen.
– Mit Projekt Ging-Go! wurde auch schon zweimal zusammengearbeitet.
– Den Chat betreue ich gemeinsam mit einer weiteren „Mitarbeiterin“ aus Deutschland.
– Eine Zusammenarbeit mit Radio4 Humans ist derzeit in Planung.
– Es gäbe da jetzt sicher noch weitere kurzfristige Partnerschaften, das würde jetzt aber wohl den Rahmen dieses Interviews sprengen.
Fast jede/r hat den Wunsch, ihre /seine Sexualität auszuleben. Menschen mit Behinderungen ist dies allerdings nicht immer möglich.Manche von ihnen benötigen dazu Unterstützung. Sexualität und Behinderung scheint in Österreich immer noch ein Tabuthema darzustellen. Im Frühjahr 2008 fand im Linzer Ursulinenhof der Kongress „Enthinderte Sexualität“ statt. Du hast an dem Kongress teilgenommen. Was waren Deine Eindrücke?
Auf WIeND.at beschrieb ich in einem Beitrag bereits meine Eindrücke – ich erlaube mir, hier an dieser Stelle daraus zu zitieren:
„Mir persönlich war ein großer Teil der ReferentInnen bekannt, auch die Inhalte. Interessant gestaltete sich für mich allerdings die Möglichkeit, diese Menschen persönlich kennen zu lernen, mit ihnen zu sprechen und einen Gesamteindruck über das Geschehen im deutschen Sprachraum zu erhalten. Diese oberösterreichische, im Grunde doch ganz gut gelungene Veranstaltung stellt für mich einen Neubeginn in (Ost)Österreich dar, um das Thema Behinderung und Sexualität ‚unter die Leute zu bringen‘ bzw. einen weiteren Schwerpunkt zu setzen. Ich bin gespannt, in welche Richtung die Aktivitäten des Vereins Senia weitergehen werden. Derzeit scheint es mir noch ein wenig mehr vom Gleichen zu sein, aber sehe ich auch die Chance der Weiterentwicklung bzw. der Neuausrichtung von Leistungen (z.B. Sexualassistenz), die es in Österreich meines Wissens so noch nicht gibt.“
Nachdem ein halbes Jahr seit der Veranstaltung vergangen ist, wird jetzt langsam daran gearbeitet, „Senia“ weiterzuentwickeln.
Was wünscht Du Dir für die zukünftige Entwicklung von WIeND.at?
WIeND.at wurde mehr oder weniger „aus einer Laune heraus“ gegründet und langsam, kontinuierlich mit Hilfe vieler anderer Menschen aufgebaut. Es handelte sich dabei zuerst um eine private Website und wurde schlussendlich zum semiprofessionellen Projekt. Der weitere Schritt der jetzt nach einer etwas längeren Nachdenkpause ansteht, ist die Professionalisierung des Internetauftrittes – das umfasst nicht nur einen Relaunch der Website, die mit der Anpassung an die derzeitigen Standards verbunden sein soll, sondern auch noch eine intensivere Betreuung meinerseits (z. B. regelmäßige Themenvorgabe im neuen Diskussionsforum, weiterhin ein betreuter, wöchentlicher Chat mit Themenvorgabe – jetzt aber mit einem breiterem Spektrum, mehr Beiträge in den diversen Rubriken, ein aktueller Terminkalender mit Schwerpunkt Wiener Raum und noch so manches mehr). Welche Größenordnungen damit dann erreicht werden (im Bezug auf Reichweite, Zugriffszahlen, Einnahmen), das lässt sich noch nicht ganz abschätzen … In den letzten zehn Jahren handelte ich oftmals aus dem Bauch heraus, daraus entstand WIeND.at, wie es sich jetzt präsentiert und ich denke, dass mit dieser Vorgangsweise noch so manches möglich ist, was ich jetzt noch nicht in einen fixen „Businessplan“ gepackt habe.
Wichtig für mich ist auf jeden Fall, dass die Grundidee von WIeND.at aufrecht erhalten bleibt – d.h. ein umfangreicher Themenmix mit Schwerpunkt Literatur und Behinderung und Sexualität, um weiterhin nicht nur Menschen weiterhelfen zu können, sondern das Spektrum nicht zu verwässert und verwechselbar mit anderen Internetauftritten wird.