Als Petra Thorbrietz’ Mann János Pásztory an einer seltenen Krebsform erkrankt, ist dies ein Abschiednehmen, das drei Monate dauern und von einem Einsatz für würdevolles Sterben geprägt sein wird.
„Leben bis zum Schluss. Abschiednehmen und würdevolles Sterben – eine persönliche Streitschrift“ so der Titel des Buches, in der die Autorin und Wissenschaftsjournalistin Abschied nimmt von ihrem Mann und gleichzeitig für ein humaneres Leben und ein humaneres Sterben plädiert. Eine Streitschrift, in der es der Autorin gelingt, ohne Polemik, ohne Rührseligkeit, ohne Panikmache, klar Stellung zu beziehen für ein menschenwürdiges Ende.
Petra Thorbrietz bietet keine fertigen Lösungen im Umgang mit Sterben und Tod an. „Leben bis zum Schluss“ ist kein Trostbuch im eigentlichen Sinn. Das ist gut so. Es verheißt kein ewiges Leben nach dem Tod, es beschreibt keine Nahtoderfahrungen, es spekuliert nicht mit Spiritualität. Petra Thorbrietz zwingt die LeserInnen hinab in die alltäglichen „Niederungen“ des Sterbens in einem Krankenhaus: die Hilflosigkeit gegenüber dem medizinischen Personal, der Spießrutenlauf zu einem würdevollen und selbstbestimmten Sterben, die Inkompetenz mancher ExpertInnen, die Würdelosigkeit im Umgang mit Sterbenskranken, die Angst vor dem eigenen leidvollen Ende, dazwischen immer wieder jedoch Hoffnungsmomente. Sie zwingt auch zur unbequemen Einsicht, dass nur wir selbst die Verantwortung für unser Lebensende tragen. „Es gibt Entscheidungen, die kann uns niemand abnehmen – die Ärzte nicht, die Juristen nicht, der Pfarrer nicht. Wir müssen lernen, das Leiden zu akzeptieren, wo es nicht zu ändern ist. Und wir müssen uns fragen, was wir selbst dazu beitragen können, es zu lindern.“
Die Umstände, unter denen János Pásztory seine letzte Zeit verbringt und die Berichte von Menschen, die sich in einer ähnlichen Situation befanden, machen wütend. Gleichzeitig verleihen sie jedoch Mut, sich gegen eine Medizin und deren VertreterInnen zur Wehr zu setzen, die menschliches Leben um jeden Preis verlängern.
Die Autorin stellt Fragen, die sich auch bei den meisten Betroffenen auftun, die dabei nicht selten Gefahr laufen, in einen endlosen Selbstvorwurfstrudel zu geraten: hätte ich, wäre ich, was wäre gewesen, wenn ich …? Insofern ist Petra Thorbrietz’ Streitschrift doch tröstend. Denn sie zeigt, dass es normal ist, zu überlegen, ob ein früherer Arztbesuch, eine Bestrahlung, eine gesündere Lebensweise das Leben eines Menschen gerettet hätten. Und dass es normal ist, nur hypothetische Antworten darauf zu finden. Denn wer kann von sich behaupten die Frage „Wenn Du Deine Familie nicht wegen mir verlassen hättest, wärst Du dann überhaupt krank geworden?“ zufriedenstellend zu beantworten.
Zutiefst erschütternd sind jene, beinahe literarischen Stellen, wo Petra Thorbrietz die Lesenden an den ganz persönlichen Momenten zwischen sich und ihrem Mann teilhaben lässt. Diese Passagen schnüren einer/einem die Kehle zu. Sie schmerzen so stark, dass ein Weiterlesen oft kaum mehr auszuhalten ist. Und doch ist ein Aushalten, ein Durchhalten bei dieser Pflichtlektüre wichtig, damit mit einem Abschnitt, der schlussendlich jede und jeden von uns treffen wird, mutig und würdevoll umgegangen wird.
Petra Öllinger
Petra Thorbrietz – Leben bis zum Schluss. Abschiednehmen und würdevolles Sterben – eine persönliche Streitschrift. Zabert Sandmann Debatten, 2007. 176 Seiten, € 17,50.