An mein Rindfleisch …
… lasse ich nur Semmelkren, Crémespinat, geröstete Erdäpfel. Und das alles am besten serviert in der Garnierschüssel Philipp Aigners, einem Teller, der in Mitte eine Vertiefung für das Rindfleisch umgeben von zwei, drei, sechs oder zwölf kleineren Vertiefungen für die Beilagen. Wer meint, sich als eingefleischt vegetarisch lebende Rezensentin dem kulinarischen Denkmalschutz von Bruckfleisch und Co. zu widmen, sei schlichtweg „hardcore“. Wer meint, dieselbe Rezensentin schramme am Masochismus vorbei, weil sie sich durch Rezepte wie Markkrusteln, Reiswurst oder Hirnpudding lesen „muss“ – irrt. Erstens gibt es eine große Anzahl an fleischlosen kalten und warmen Soßen, Beilagen sowie Suppeneinlagen. Zweitens führt Ingrid Haslinger durch ein spannendes und oft überraschendes historisches Abbild der Wiener Rindfleischküche, und lässt für kurze Zeit BSE-Skandal, unwürdige Tierhaltung und dergleichen Schauerlichkeiten mehr vergessen.
Ein Leckerbissen für Seh- und Tastsinn ist einmal mehr die Gestaltung des Buches: Leineneinbad, Lesebändchen, interessante Schwarz-Weiß-Abbildungen von Wiener Musterküchen, Speisekarten, Rindfleischwagen oder eingangs erwähnter Garnierschüssel – bei einem praktischen Einsatz des Buches droht das Herz zu bluten.
Das ausführliche Glossar hilft über kulinarische Verständnisschwierigkeiten hinweg und löst Rätsel um Begriffe wie Julienne oder Knöpfl. Übrigens – und dieses Rätsel darf hier gelöst werden– „Fledermaus“ im Titel bezieht sich weder auf die gleichnamige Strauß-Operette noch auf eine spezielle Verarbeitung des Flattertiers. „Es ist ein lappenartiges Stück Fleisch von der Hüfte, das das am Hüftknochen befindliche Loch abdeckt.“
Petra Öllinger
Haslinger Ingrid – Tafelspitz & Fledermaus. Die Wiener Rindfleischküche. Mandelbaum Verlag, Wien 2005. 176 Seiten, € 19,90
http://mandelbaum.at/
Aus dem alten Blog