Kinderbücher schreiben – klingt einfacher als es ist. Kinderbücher rezensieren – vielleicht nicht ganz sooo schwierig, vor allem, wenn sich dieses Mal ein paar HelferInnen, sprich VertreterInnen der erforderlichen Zielgruppe, zur Verfügung gestellt haben.
Die Suche nach der „Zielgruppe“ war mit einigen Hindernissen verbunden – zugegeben. Die Möglichkeiten, sich Ende August ein paar (eben zielgruppenspezifische, also im vorliegenden Fall zwischen vier und sieben Jahren alte) Kinder von Bekannten „auszuborgen“ ist eine sooo simple Angelegenheit nicht: „Wir sind zur Zeit auf Urlaub, bitte hinterlassen Sie …“, „Keine Lust!“, „Viel zu schön draußen, um Bücher zu lesen.“ (?), „Für die Jasmin ist das nix.“, „Die müssen in der Schule eh immer so viel lesen, da sollen sie in den Ferien wirklich eine Pause machen.“ Schließlich haben sich dann doch drei youngsters meiner erbarmt (ob sie bestochen wurden, konnte ich nicht eruieren. Aber schlussendlich hatten wir eine Riesengaudi beim (Vor-)Lesen, und ich wage zu behaupten, dass eventuelle elterliche Bestechungseisbecher, Bestechungszuckerl oder Bestechungskinobesuche danach völlig uninteressant waren). Die Jury: Liane, 4, Joachim, 6 3/4 und Andrea 7,2 Jahre alt. „Bearbeitet“ wurden: „Die kleine Schlamperhexe/Omas alte Schuhe“, zwei Geschichten in einem Band und „Muggiduk“ – alle von Marie Luise Moosbach, die sowohl die Texte als auch die Bilder gestaltet hat.
Die drei stürzen sich gleich auf die Schlamperhexe. „Lustig“, gluckst Liane, und der Rest der Jury findet es sehr amüsant, dass die kleine Schlamperhexe ihrem Namen alle Ehre macht, wenn sie den langgesuchten Putzlappen im Suppentopf oder einen Schuh in der Kaffekanne findet. Schließlich macht sich die Hexe auf in die Stadt, bringt dort den Straßenverkehr gehörig durcheinander, wird von der Polizei gesucht und schließlich von einem Jungen namens Peter mittels Schokokuchen in dessen Haus gelockt. Soweit wird die Geschichte von der dreiköpfigen Jury akzeptiert. Unverständnis tritt dann bei Andrea und Jochen hinsichtlich des Umstandes auf, dass die kleine Schlamperhexe am Schluss nicht mehr zaubern kann und bei den „faden Kindern“ (O-Ton Joachim) bleibt. Andrea findet den Peter schlichtweg „deppert“. Dass die Schlamperhexe-Geschichte in Reimen geschrieben ist, gefällt Andrea und Liane, Joachim meckert etwas von „Pippikram“.
Alles andere als fad und deppert erscheint ihnen der Sepperl aus der zweiten Geschichte – „Omas alte Schuhe“. Der kann mir nichts dir nichts Berge und Hausmauern hochklettern und rettet ganz nebenbei eine Prinzessin. Und sieht genauso aus „wie der Peter“ (Andrea), zumindest auf dem letzten Bild, wo die Großmutter und Sepperl beim Frühstückstisch sitzen und Sepperl von seinem Traum erzählt. Also, gemeinsames Zurückblättern – tatsächlich: rote Hose, blauer Pullover, gelbe Haare – wir sind irritiert. „Aber da hat er ja eine braune Hose an!“ entdeckt Andrea beim Wieder-Vorwärts-Blättern – wir sind noch irritierter. Es entspinnt sich eine Diskussion, ob das nun derselbe Junge ist oder nicht. Es wird hin- und hergeblättert, und hin und her, und hin und her, inklusive Bemerkungen über die Bilder. „Die bei der zweiten Geschichte sind viel schöner“ (Joachim). „Ich find die Schlamperhexe netter.“ (Andrea) „So zeichnen kann ich auch.“(Joachim) „Rotkäppchen!“ (Liane). „Lustig, dass das mit der Prinzessin nur ein Traum war.“ (Andrea).
Resultat: Zwei nette Geschichten, die bei aufgeweckten ZielgruppenvertreterInnen zu angeregtesten Gesprächen führen können.
Bei „Muggiduk“ verlaufen die Diskussionen ähnlich temperamentvoll wie bei den bei den anderen beiden Geschichten. Die Bilder stoßen einhellig auf Begeisterung, vor allem jene, auf denen der kleine Waldwurzelzwerg zuerst einmal gefunden werden muss („Wieso seht ihr den nicht? Da ist er eh!“, Joachim). Während dessen Brüder in den Bergen glitzernde Edelsteine aus den Felsen klopfen, bevorzugt es Muggiduk, sich auf den Weg in seinen Garten zu machen (der eigentlich Herrn Fröhlich gehört), wo er viele, zwar unspektakuläre, aber trotzdem interessante Aktivitäten unternimmt: Dachskinder besuchen, im Schubkarren liegen, Raupen, Schmetterlinge, Kröten beobachten. Eines Tages trifft Muggiduk auf Herrn Fröhlichs Gartenzwerg und wird mit ihnen gemeinsam auf ein Foto gebannt. Die darauffolgende Verwirrtheit Herrn Fröhlichs, woher der siebte Zwerg plötzlich kommt, ruft bei Liane völliges Unverständnis hervor: „Aber das ist doch der Muggidok!“ Schließlich lernen Muggiduk und Herr Fröhlich einander kennen und das Rätsel um den siebten Zwerg auf dem Foto wird gelöst – beim gemeinsamen Klavierspielen und Singen – und auch in der Jury erwachen musikalische Talente.
Und auch zeichnerische, weil die drei im Anschluss selber noch ein paar Muggiduk-Abenteuer malen – was für das liebevoll gestaltete Büchlein spricht.
Petra Öllinger
Marie Luise Moosbach – Die kleine Schlamperhexe & Omas alte Schuhe. Schardt Verlag, Oldenburg, 1999. 66 Seiten, € 10,20. 4-7 Jahre.
Achtung: Dieses Buch ist zur Zeit nur direkt über die Autorin erhältlich. Kontakt via Petra Öllinger.
Marie Luise Moosbach – Muggiduk. novum Verlag, Horitschon, Wien, München, 2006. 30 Seiten, € 10,90. Ab 4 Jahren.