Vom Abschiednehmen und fliegenden Giganten
Seit mittlerweile zehn Jahren erscheinen im Mannheimer Kunstanst!ifter Verlag (Bilder-)Bücher, die den LeserInnen ein visuelles Vergnügen bereiten. Und erst die Inhalte! Beispiel gewünscht? Bitte sehr: „Ben und die Wale“.
Die südafrikanische Bilderbuchautorin Ingrid Mennen widmet sich darin einer Tatsache, der wir alle früher oder später ins Auge sehen müssen: dem Tod.
Bei ihren Spaziergängen entlang der Küstenpfade beobachten Ben und sein Großvater die Wale. Beide arbeiten an Opas Sammelalbum über diese „fliegenden Giganten des Meeres“, wie Bens Großvater diese Tiere nennt. Bereits auf der dritten Seite ist jedoch das Unvermeidliche eingetreten. Bens Opa stirbt. Am selben Nachmittag lädt Bens Vater ihn zu einem Spaziergang ein. Beide gehen denselben Weg, den Ben auch mit seinem Opa entlanggewandert ist, und Bens Vater erzählt ihm eine Geschichte. Es ist eine Geschichte über ein Walkind und einen alter Buckelwal, der strandet und nicht mehr zurückfindet ins Meer. Das Walkind aber muss zurück zu seiner Herde; es wird den alten Wal loslassen. So wie Ben von seinem Opa Abschied nehmen muss. Dabei scheinen dem Jungen Flügel zu wachsen, wie bei den „fliegenden Giganten des Meeres“.
Die Autorin arbeitete an diesem Buch gemeinsam mit ihrer Tochter Irene Berg, die die Geschichte illustrierte. Fast kann man es riechen und hören das Meer, in seinen vielen (Farb-)Facetten vom „lieblichen“ über das arktische Blau bis zum aufgewühlten Grau. Im Meer immer wieder Wale; schwimmend, springend, tauchend. Den Tod des Großvaters symoblisiert ein leerer Ohrensessel und ein Basset, der mit traurigem Blick davor liegt. Er wird zwar nicht im Text erwähnt, trotzdem begleitet dieser Hund den Jungen in vielen Szenen.
Ein Küstenabschnitt aus der Vogelperspektive zeigt bei genauem Hinschauen die Szene, als der alte Buckelwal sterben muss und der kleine Wal zu seiner Herde schwimmt. Doch bietet dieses Bild etwas Tröstliches: die am Horizont aufgehende, leuchtend gelbe Sonne. Genaues Hinschauen lohnt sich auch beim liebevoll gestalteten Vor- und Nachsatzpapier: Es sind Seiten aus Opas Sammelalbum, voll mit Notizen, Skizzen, eingeklebten Zetteln und vielen Informationen über Wale. Und wer über den Buchdeckel streicht, erlebt eine reizende Überraschung.
Petra Öllinger
Ingrid Mennen (Text), Irene Berg (Illustration, Coverillustration, Lettering), Yimeng Wu (Buchgestaltung): Ben und die Wale. Eine wunderbare Reise.(Originaltitel: „Ben and the Whales. The Extraordinary Journey“/“Ben en de Walvisse – `n wonderbaarlike Reis, ins Deutsche übersetzt von Ingrid Mennen und Irene Berg)
Kunstanst!fter Verlag, Mannheim 2016.
32 Seiten, € 18,60 (Ö)
© Cover: Kunstanst!fter Verlag