Du willst es ja auch!
Wir alle wollen nur das eine, und wenn wir es nicht haben können, dann wollen wir wenigstens davon hören – und greifen zu dem Band „Sehnen bis Zuletzt“ mit neunzehn erotischen Geschichten des 1931 in Allach bei München geborenen Autors Markus Dosch.
Wir alle wollen nur das eine, und wenn wir es nicht haben können, dann wollen wir wenigstens davon hören – und greifen zu dem Band „Sehnen bis Zuletzt“ (2009) mit neunzehn erotischen Geschichten des 1931 in Allach bei München geborenen Autors Markus Dosch. Aber Vorsicht! Was heißt denn erotisch?! Ist es letztlich Sex, purer Sex, harter Sex, schmutziger Sex? Im Titel mit seinem „Sehnen“ schon angedeutet, wird bei den ersten Erzählungen schon klar, dass es hier mehr um das Rätsel der Anziehungskräfte und der geschlechtlichen Faszinationen geht, die Menschen zueinander bringen, ja, sie unwiderstehlich aneinander fesseln.
Die in diesem Band versammelten Erzählungen umfassen ein beeindruckendes Panoptikum menschlicher, allzumenschlicher Attraktionen, von denen der „reine Akt“ nur eine ist. Und noch einmal Vorsicht! Von tausend und mehr Bildern und Mustern geprägt, ist der Leser (gerade der erfahrene!) oft zu vorschnell geneigt, den Schluss der jeweiligen Geschichte zu erahnen, und wird dann von der Pointe eingeholt, die eben nicht zwanghaft auf eine unmögliche Wendung schielt und auch schon mal den „glücklichsten Clubbesitzer der Welt“ in eine wunderbare Zukunft blicken lässt („Bodyguardinnen“). Wer hier eine gewollte Nähe zu märchenhaften Zügen erkennen will, darf das tun, muss aber damit leben, dass auch im modernen Märchen Gelegenheiten versäumt werden und nicht alle Königskinder zueinander finden („Fatima auf der Station“). In „Nur ein Kuss“ sind die Königskinder ein trauriges Schwulenpaar, das vor der Trennung steht. Ein Hauch von Wehmut ergreift den Leser.
Markus Dosch kann aber auch anders. Er scheut sich nicht, die scheinbar heile, sanfte Erotikwelt durch grelle Thrillerelemente zu irritieren („Arrangement zu Dritt“ oder „Hinter der Grenze“) und auch unbequeme Themen wie Aids („Lady oder Biest“), Tötung auf Verlangen („Abschied“) oder Ausländerproblematik („Yonca, Onkel Kemal und der Nazi“) anzupacken. Damit wird klar: Festlegen lässt sich „Sehnen bis Zuletzt“ auf keinen bestimmten Stoff, auf keinen bestimmten Ton. Allenfalls die bundesrepublikanische Arbeitswelt ist in vielen dieser Erzählungen der gemeinsame Boden; allerdings sollte dieser Boden noch einmal umgepflügt werden, um die kleineren Textmängel zu beseitigen, die sich gelegentlich störend bemerkbar machen.
Am Ende aber steht man bewundernd vor der Vielfalt menschlicher Schicksale und erotischer Situationen, die hier geschildert werden – alle wollen nur das eine, aber wirklich nur wenige sind auserwählt… Der Leser jedoch wird für die entgangene libidinöse Erfüllung, die mancher Protagonist der Erzählungen eher schmerzhaft erfahren muss, seinerseits wohlig entschädigt durch die gewonnene Leselust, die sich bei der Lektüre von „Sehnen bis Zuletzt“ beim ihm einstellt.
Kurt Weih
Markus Dosch – Sehnen bis Zuletzt. Erotische Erzählungen.
BoD – Book on Demand, Noderstedt, 2009. 95 Seiten, € 13,80 (D).
Bereich: Erotik