„Ich bin Schlittenhundsportlerin. Der Zufall will es, dass ich zugleich offiziell als blind eingestuft bin. Obwohl meine Blindheit lediglich ein Teil von mir ist und keineswegs meine Persönlichkeit ausmacht, weckt gerade das Blindsein das Interesse der Öffentlichkeit.“ Stimmt. Und wenn diejenige, die dies von sich sagt, auch noch am Iditarod-Rennen, dem härtesten Hundeschlittenrennen der Welt teilnimmt, steigt das Interesse an diesem „Sport“ und an der ihn ausübenden Person.
Allerdings nimmt das Interesse an beiden Aspekten bei der Lektüre des Buches auch wieder rasch ab. Bevor es nämlich bei Rachel Scordis, der 1985 geborenen und in Oregon lebenden blinden Hundeschlittenführerin, losgeht mit den Rennen, müssen die LeserInnen sich noch durch rührselig geschriebene Kindheits- und Jugenderinnerungen quälen. Wobei sich herausstellt, dass die Schlittenführerin nicht völlig blind ist (was die Anerkennung ihrer sportlichen Leistungen nicht schmälern soll), sondern an einer seltenen Erbkrankheit leidet: kongenitale Achromatopsie – die Betroffenen sind farbenblind, weisen eine hohe Blendungsempfindlichkeit auf und und können ihre Umwelt nur verschwommen wahrnehmen.
Rachel Scordis lässt sich von Niederlagen bei diversen „kleinen“ Hundeschlittenrennen nicht unterkriegen. Sie trainiert, gewinnt zunehmend an Vertrauen und schafft es 2006 am Iditarod-Rennen (2) teilzunehmen. Was zu Beginn also durchaus ermutigend beginnt, gleitet bald ab in nervige, gebetsmühlenartige Wiederholungen nach dem Motto: „Du musst nur an dich glauben, dann schaffst du alles“.
Seltsam erscheint auch die Beziehung von Rachel Scdoris zu ihren Hunden. Eine „Herzensverbindung“ zwischen ihr und den Tieren will beim Lesen nicht „rüberkommen“. Die Tatsache, dass der Erfolg eines Rennens wesentlich von den Vier- und weniger von den Zweibeinern abhängt, wird kaum greifbar. Formulierungen wie „Ich brauche Hunde in meinem Gespann, die wirklich laufen wollen. Tier mit physischen und psychischen Schwächen gebe ich weg, damit sie den Rest ihrer Tage bei jemandem als Haustier verbringen können“ hinterlassen einen befremdlichen Eindruck. So wie es auch verwundert, dass kein einziges kritisches Wort über den Hundeschlittensport fällt. Aus tierschutzrechtlicher Sicht ist speziell das Iditarod-Rennen umstritten; immer wieder verletzen sich Hunde schwer oder sterben.
Schlussendlich bleibt das Gefühl, ein holprig formuliertes Buch in Händen zu halten, mit Motivationssätzen gefüllt, die in den LeserInnen die Angst aufkeimen lässt, dass ihnen auf der nächsten Seite Fitnesspapst Dr. Strunz (3) entgegenspringt.
Schade, denn die in den USA populäre Rachel Scordis, die sich auch für behinderte SportlerInnen engagiert, hat sich mit diesen, von Rick Steber vorgenommenen Aufzeichnungen, keinen guten Dienst erwiesen.
Petra Öllinger
Rachel Scordis, Rick Steber – Mein Ziel vor Augen. Als blinde Frau beim härtesten Hundeschlittenrennen der Welt. Aus dem Amerikanischen von Franka Reinhart. blanvalet, München, 2007. 416 Seiten, € 8,20 (A).
1: LenkerIn eines Schlittenhundegespannes
2: „Im Jahre 1925 erlangte der bis heute bekannteste Schlittenhund Balto seine weltweite Berühmtheit. Er war jener Hund, der beim letzten Staffellauf zwischen Anchorage und Nome im Westen Alaskas das Schlittenhundeteam durch Eis, Schnee und Blizzards führte, mit überlebenswichtiger Medizin im Gepäck, die die Stadt vor einer Diphtherieepidemie retten sollte. Hiervon inspiriert wurde 1973 das erste ‚Iditarod‘-Rennen ausgeführt, das über 1161 Meilen durch gefrorenes Land, Wildnis und Gebirgszüge, Eismeer und harte Winde führt. Seither sind solche Rennen sowohl in Nordamerika als auch in Europa zu einer populären Wintersportart geworden.“ Quelle: Wikipedia / Schlittenhunde
3: Ulrich Strunz – Internist, Triathlet und Buchautor, wird in der Presse und in den Medien oft als Fitnesspapst beschrieben.