Entfesselt im Rollstuhl

Geschichten aus dem Leben. Über das Meer, die Sehnsucht und eine Entfesselung.

Die beiden ProtagonistInnen des Buches, Hanna Höfer und Leo Fischer, wurden mit dem Krankheitsbild „Spina Bifida“, einer Fehlbildung des Neuralrohres, geboren. Die LeserInnen dürfen sie dabei begleiten, wie sie humorvoll, aber auch nachdenklich und reflektierend einen Blick auf sich und ihre Umwelt werfen; das Leben meistern und entfesselt ihres Weges rollen. Am Cover spielen sie mit der Klischeevorstellung, die sich viele „normale“ Menschen vom An-den-Rollstuhl-gefesselt-Sein machen: Mit einem dicken Seil sind sie in ihren Rollstühlen fixiert.

Aber von einem fixiert im Sinne von starr und unbeweglich sind Hanna Höfer und Leo Fischer weit entfernt. Bei all ihren Unternehmungen werden sie von ihren Assistenzhunden Nils und Ronja begleitet. Diese Vierbeiner machen sich über Hanna und Leo bzw. über die Zweibeiner so ihre Gedanken und führen die LeserInnen durch das Buch. Da Hunden die Kulturtechnik des Schreibens unbekannt ist, wurden deren Beobachtungen mit Hilfe von Monika Hirschmugl-Fuchs festgehalten.

Sehr berührend sind die Berichte der Mütter, Andrea Fischer und Martina Höfer-Wegan über Schwangerschaft und Geburt, ihre Ängste, Anstrengungen und ihre Liebe zu ihren Kindern. Fotos aus dem Leben von Hanna Höfer und Leo Fischer bereichern das Buch visuell.

Ein wesentliches Kennzeichen des Buches ist die leicht verständliche Sprache. Sie soll vor allem Menschen mit geringen sprachlichen Fähigkeiten das Verständnis von Texten erleichtern. So gesehen ist dieses Buch die eierlegende Wollmilchsau: Es legt ein beredtes Zeugnis dafür ab, dass Texte so formuliert werden können, dass sie von allen Menschen mit Interesse und Vergnügen gelesen werden.

Ja, mit Vergnügen! – Hanna, Leo und die beiden Assistenzhunde lassen die LeserInnen an ihren Empfindungen, Wahrnehmungen und Erkenntnissen teilhaben. Das Buch macht Menschen mit besonderen Bedürfnissen Mut und ladet alle anderen dazu ein, das Thema Behinderung zu reflektieren, Mitgefühl (und nicht Mitleid!) zu entwickeln und letztlich den Menschen – und nicht den Rollstuhl – in den Mittelpunkt der Wahrnehmung zu stellen.

„Wenn Du ein Schiff bauen willst,
dann trommle nicht Männer zusammen
um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben
und die Arbeit einzuteilen,
sondern lehre die Männer die Sehnsucht
nach dem weiten, endlosen Meer.“

Antoine de Saint-Exupéry (1900 – 1944)

Möge die Sehnsucht nach dem „weiten, endlosen Meer“ in Hanna Höfer und Leo Fischer weiterhin entfesselt durchs Leben rollen.

Georg Schober

Das Buch „Entfesselt im Rollstuhl – Geschichten aus dem Leben“ kann über über die gleichnamige Internetseite bestellt werden.

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