Notizen und Aufzeichnungen aus Wien-Mariahilf
28. August
Theophilus hat sich nach dem Unfall sehr gut erholt. Bereits heute war er munter und fidel.
30. August
Gestern ist er abgereist. Frau Elsbeth und Erwin versuchen, mich aufzuheitern. Ein netter Versuch. Ein schwacher Trost.
1. September
Die Kornkreiswiese und der Höllenwald: weg. Abgeholzt, niedergemäht. Zinnien, Korn- und Mohnblumen, Wicken, Steinklee, alles weg. Lediglich ein paar Sonnenblumen halten noch wacker die Stellung.
10. September
Ein Tag zum Mäusemelken. Es regnet ohne Ende. Die vom Sommer ermatteten und wie Papier knisternden Malvenblätter sehen aus wie schmutziges Papiermaché, das jemand an die Stängel geklebt hat.
12. November
Ich rieche den kommenden Schnee.
15. November
Ich werde ans Meer fahren. Ans richtige Meer!
***
Hier enden die Eintragungen von Herrn Leopold.
Abschließend eine editorische Notiz von Petra Öllinger
Die Serie „Herr Leopold bekommt gewaltigen Ärger“ versammelt Herrn Leopolds sämtliche Aufzeichnungen, die er von April bis November zu Papier brachte. Die Eintragungen erfolgten in unregelmäßigen Abständen. Täglichen Aufzeichnungen folgten Pausen von mehreren Tagen, oft sogar von ein, zwei Wochen.
Weitere Tagebücher, Notizen, Briefe, Postkarten usw. konnten in der Wohnung von Herrn Leopold nicht gefunden werden. Es ist möglich, dass sich diese Quellen an anderen Stellen befinden, die allerdings bis dato weder von Theophilus Makadamia noch von mir gefunden wurden und somit dieses Buch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
Die Übersetzung spezieller Begriffe aus dem Mausischen – zum Beispiel für Bierkäse – wurden dem Wörterbuch „Was sagt die Maus? Übersetzen für Fortgeschrittene“ von Professorin Doktorin Mechthild Scheiblett entnommen. Die Orthografie sowie die Interpunktion orientiert sich im übersetzten Text an der Menschensprache. Eine besondere Herausforderung boten jene Stellen, in denen Herr Leopold das Ableben vom Einäugigen Erwin schildert. Einige Zeichen waren an teilweise wichtigen Stellen (befand sich hier ein Knöllchen am Silbenästchen, war ein Silbenbogen kurz, viertel- oder halbkurz gefasst?) zerlaufen. Sie konnten jedoch anhand des übrigen Inhaltes zumindest sinngemäß erschlossen werden.
Theophilus und ich kamen nach längeren Diskussionsprozessen zu dem Entschluss, inhaltliche Leerstellen und Ungereimtheiten in Herrn Leopolds Aufzeichnungen durch Gespräche mit den Hauptnagern so weit als möglich zu klären. Eine weitere Herausforderung stellte die Suche nach dem Einäugigen Erwin dar. Weder kannten Frau Elsbeth noch Theophilus seinen Wohnort, noch fanden sich in Herrn Leopolds Notizen exakte Hinweise darauf. Unsere Vermutung, der Einäugige Erwin müsse im Bereich des ehemaligen Ratzenstadls wohnen (Herrn Leopolds Notizen deuteten dies an einer Stelle kurz an), entpuppte sich als richtig, wobei uns, zugegebenermaßen, auch „Kommissar Zufall“ zu Hilfe gekommen ist.
Der Einäugige Erwin erklärte sich sofort zur Mitarbeit bereit, ebenso Frau Elsbeth. Die Gespräche wurden auf Mausisch geführt. Frau Doktorin Scheiblett unterstützte mich bei der Transkription der aufgezeichneten Gespräche und deren Übersetzung.
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Und nun ist wirklich Schluss.