Tagebuchaufzeichnungen und Berichte aus Wien-Mariahilf
Der Literaturspaziergang mit Herrn Leopold führte die TeilnehmerInnen u.a. in die Matrosengasse. Lesen Sie heute, welche Bedeutung diese Gasse für Herrn Leopold hat.
24. Mai
Das Meer und die weite Welt, alles bei mir um die Ecke. Diese Brise! Wenn sie zart – zugegeben, hin und wieder gibt’s einen veritablen Sturm – durch meine Schnurrbarthaare streift, dann die Matrosengasse entlang und die Bürgerspitalgasse hinunter ins Wiental weht, wie wundervoll. Zwei, drei tiefe Atemzüge: Ich komme, Welt! Und wenn ich die Augen schließe und ich dem Automobilverkehr am Gürtel lausche, dann … Nein, nein, was schreibe ich denn da!
Nachtrag – 02:45 Uhr: Nach der Rückkehr von meinem Ausflug ans Meer eine böse Überraschung erlebt. Schon wieder waren das Vorzimmer und die Küche drei Millimeter hoch überflutet. Zweibeiner? Vierbeiner? Jedenfalls hatte jemand eine sehr volle Blase. Und die musste ausgerechnet – und das bereits zum dritten! Mal – vor meiner Wohnungstür entleert werden? Um halb drei Uhr morgens war ich endlich fertig mit Aufwischen und Möbelschleppen. Nachdem letztes Jahr ein kleiner Mensch meinen Küchentisch und die vier Sessel, die ich zum Trocknen auf den Gehsteig gestellt hatte, mit den Worten wegtrug – was heißt wegtrug, bestohlen wurde ich! – „Schau Mami, Möbel für meine Barbie“, muss ich meine nasse Einrichtung in den Malvenhain stellen.
Mit Müh und Not schaffte ich den Tisch vorbei an den drei Mülltonnen und an der Stange mit dem Gacksackerlspender, und nur dank meines präzisen Augenmaßes gelang es mir, anschließend die Möbelstücke neben der Tafel „Hier wird gegartelt“ durch das Metallgitter zu bugsieren. Ich versteckte den Tisch und die Sessel hinter dem Topf mit den Feuerbohnen. Hoffentlich frönen die Menschen nicht ausgerechnet heute und morgen hier ihrer gärtnerischen Leidenschaft. Ich bin erledigt.
Nachtrag – 04:15 Uhr: Ich tippe auf Zweibeiner, ich glaube nicht, dass Hunde Bier trinken.
25. Mai
Ein ganzer Tag im Malvenhain. Um meine Möbel im Auge zu behalten, werde ich jetzt hinübermarschieren und dort den Tag verbringen. Die meisten Menschen beginnen zu schreien, wenn sie eine Maus sehen. Wie würden die sich erst aufführen, sähen sie eine möbelschleppende Maus! Ich muss also bis zum Einbruch der Dunkelheit warten, um meine Einrichtung wieder nach Hause tragen zu können.
Die Fortsetzung folgt am 14. Juli 2015.
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