Tagasyl Bücherei

In der Tageszeitung „Der Standard“ war vorgestern (13.12.2007) unter dem Titel „Tagasyl Bücherei“ ein Artikel über die Wiener Hauptbücherei am Gürtel / Urban Loritz-Platz zu lesen. In dem Beitrag zeichnet Birgit Wittstock das Bild einer lebendigen Institution, die Bildungsauftrag und soziale Integration der unterschiedlichen BesucherInnengruppen unter einen Hut zu bekommen sucht. Meinem Dafürhalten nach ist der Artikel allerdings ein wenig zu glatt geraten.
Differenzen und Konflikte zwischen den zirka 3500 täglichen Besuchern gibt es angeblich kaum welche:

„Warum es kaum Probleme gibt, erklärt Christian Jahl, der Leiter der Bücherei so: ‚Wenn sich Menschen an einem Ort wohl fühlen, dann geben sie darauf acht (sic!), dass es so bleibt, dass nichts zerstört wird.'“

Zu wünschen wäre es der Bücherei. Dass es durchaus auch Menschen mit einer anderen Wahrnehmung gibt, geht aus den lesenswerten Kommentaren zum Artikel auf der Site des Standard hervor.

Über die engagierte Arbeit der BibliothekarInnen, die dieses Projekt überhaupt erst ermöglichen, erfährt der Leser, die Leserin leider nicht viel. Vielleicht wurde dieser Aspekt aber auch ganz bewußt ausgespart, um über ausreichend Stoff für eine Fortsetzung zu verfügen.;-)

Heimlicher Treffpunkt Bibliothek: „Manche der Jugendlichen aus Migrantenfamilien sind offenbar nicht der Bücher wegen hier. Es sind Mädchen aus streng muslimischen Familien, die die Bücherei als heimlichen Treffpunkt nutzen. Nach islamischem Brauch können sie Bibliotheken ohne männliche Begleitung besuchen.“
Ich frage mich, wie geheim kann ein Geheimnis bleiben, wenn es in einer großen überregionalen Zeitung ausgeplaudert wird? Hätte der Hinweis auf die Bibliothek als „heimlicher Treffpunkt“ nicht besser unterbleiben sollen?

Eine interessante Ergänzung zum Standardartikel bildet der Beitrag „Geschenk-Entzug-Protest“ von Lydia Mischkulnig in der Zeitung „Die Presse“, ebenfalls vom 13.12.2007.

Das Blog „haftgrund“ informiert sie im Bereich „bi-ba-buechereien“ kritisch und sachkundig über Bücherein und Bibliotheken, insbesondere über die Büchereien Wien.

Georg Schober

Via Standard bzw. Netbib

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