Über Kunst und staatliche Zensur in Österreich

Zur Rahmen“handlung“ bzw. Vorgeschichte:

Vom 5. bis 7. November fand in Wien und in St. Pölten/Niederösterreich eine internationale ExpertInnentagung zum Thema „Zehn Jahre
Gewaltschutzgesetz in Österreich“ statt.
Im Rahmen dieser Tagung sollte in Wien auch eine Ausstellung der Künstlerinnen Carla Knapp und Angela Zwettler mit dem Titel „hellwach – bei Gewalt an Frauen“ im Palais Auersperg in Wien stattfinden. Sollte. Denn zwei Werktage vor Ausstellungsbeginn wurde das Projekt in vollem Umfang vom Büro der österreichischen Frauenministerin Doris Bures abgelehnt.
Von den Medien völlig unbeachtet (ein Versuch, diesen Vorfall einer kritischen Öffentlichkeit vorzuenthalten?), wollen wir hier an dieser Stelle einige Gedanken anläßlich dieser Absage formulieren.

Wir freuen uns auf Kommentare hier im Blog und ersuchen um Weiterleitung der folgenden Informationen. Auf das die kritische Öffentlichkeit auch weiterhin und vehement staatlicher Zensur im Kunstbereich Paroli bietet.

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„Du bist anderer Meinung als ich und ich werde dein Recht dazu bis in den Tod verteidigen.“ – Voltaire.

„Darf“ Kunst politisch sein, einen parteilichen Standpunkt vertreten, aufrütteln, provozieren, zum Denken anregen oder soll sie doch lieber nur die ErfüllungsgehilfIn einer dem Mainstream und dem Konsens verpflichteten (Partei)politik sein?

„Von Seiten des Frauenministeriums, das gemeinsam mit dem Innenministerium als Konferenz-Sponsor jedoch nicht als Veranstalter auftritt, heißt es in einer Stellungnahme gegenüber dieStandard.at: ‚Das Ministerium hat den Veranstalterinnen auf ausdrückliche Anfrage mitgeteilt, dass es die geplanten künstlerischen Installationen teilweise für problematisch hält.‘ Und zwar jene, ‚die – ohne inhaltliche Bewertung – missverständlich als Forderung aller an der Konferenz Beteiligten aufgefasst werden könnte. Und vor allem jene, die in eklatantem Widerspruch zum Inhalt der Tagung steht, nämlich sich deutlich gegen jede Form der Gewalt auszusprechen.'“

Das Ministerium möchte uns also davor bewahren, eine künstlerische Intervention fälschlicherweise als Forderung ALLER KonferenzteilnehmerInnen zu verstehen.

Auf eine der beiden abgelehnten Installationen ist eine muslimische Frau vor dem Hintergrund einer österreichischen Kleinstadt zu sehen. Der darunter befindliche Text lautet: „Wir fordern einen autonomen Aufenthaltsstatus für Migrantinnen! Sie sind sonst rechtlos der Gewalt durch den Ehemann ausgesetzt.“
dieStandard vom 06.11.: „Forderung nach eigenem Aufenthaltstatus für Migrantinnen rief bei Frauenministerium Unbehagen hervor: ‚Nicht Forderung aller Konferenzteilnehmer.'“
Anstatt sich durch die künstlerische Intervention zum Diskurs anregen zu lassen, löste ein ministerielles Unbehagen Zensur aus.

Das zweite inkriminierte Bild zeigt eine abstrakte Figur mit Messer und Schild. Darunter ist folgender Text zu lesen: „Viele Frauen und Mädchen sitzen zu Hause in der Falle.“ „Vergewaltiger wir kriegen dich.“
Laut Kulturrat Österreich vom 06.11.07 haben die Künstlerinnen angeboten, den ursprünglichen Text durch „Vergewaltiger wir wehren uns“ zu ersetzen.

Die Angst vor wehrhaften Frauen scheint allerdings tief verwurzelt. In den Kommentaren in dieStandard zum Artikel „‚Nicht-ministrable Ausstellung von Gewaltschutzkonferenz ausgeladen“ ist unter anderem zu lesen:

„Wer versucht, auf einer Ausstellung, die Schutz vor Gewalt zum Ziel hat zu Gewalt (in Form von Lynchjustiz) aufzurufen oder die Veranstaltung politisch themenverfehlt zu instrumentalisieren, braucht sich nicht hinter der Freiheit der Kunst zu verstecken.“ …

Abgesehen von einem Ministerium, das scheinbar nicht in der Lage oder willens ist, mit den betroffenen Künstlerinnen und der interessierten Öffentlichkeit zu kommunizieren, macht uns die Rolle der Medien besorgt. War schon die Berichterstattung über die Konferenz im allgemeinen recht schmalbrüstig, so werden die Informationen über die Zensurmaßnahmen bisher weitestgehend totgeschwiegen.
Die Themen „Gewalt gegen Frauen“ und „staatliche Zensur“ bzw. „Freiheit der Kunst“ haben in Österreich auch anno Domini 2007 einen offenen und breiten Diskurs bitter nötig.

Weiterführende Adressen:

Auf dieser Seite von hellwach sind die „Steine des Anstoßes“ zu besichtigen.

Kulturrat Österreich – Freiheit der Kunst! Statt Zensur durch Frauenministerin!

Anfrage der „Auf – eine Frauenzeitschrift“

dieStandard – „Nicht-ministrable Ausstellung“ von Gewaltschutzkonferenz ausgeladen

2 Gedanken zu „Über Kunst und staatliche Zensur in Österreich“

  1. Im Rahmen der „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ ist ab sofort die Hellwach-Ausstellung im Schaufenster der AUF in der Kleeblattgasse 7, (Seitengasse der Tuchlauben) 1010 Wien zu sehen.
    Die Ausstellung als Fotostream in Endlosschlaufe läuft bis zum 10. Dezember.
    Hellwach: http://www.hellwach.info

  2. Ministerielle Zensur eines Kunstprojekts

    Nachstehend finde Sie das Antwortschreiben auf eine Anfrage der „AUF – eine Frauenzeitschrift“ an das Bundesministerium für Frauenfragen. Dem Schreiben des Büros der Bundesministerin für Frauen, Medien und Öffentlichen Dienst ist eine kurze Stellungnahme der Auf-Redaktion vorangestellt.

    Liebe Frauen
    Auf unsere Aussendung „Ministerielle Zensur eines Kunstprojekts“ erhielten wir eine Antwort von Dr. Ilse König, Büroleiterin der Ministerin für Frauenfragen Doris Bures, mit der Bitte, sie auszuschicken. Dem kommen wir hiermit nach.
    Vorab jedoch drei Bemerkungen:
    1. Es geht nicht um eine politische sondern um eine künstlerische Bearbeitung, daher kann es gar nicht um „Forderungen aller an der Konferenz Beteiligten“ gehen.
    Die symbolische Ebene der Kunst wird mit der realpolitischen verwechselt. Kunst ist frei, sie muss frei bleiben.
    2. Die stilisierte Frau mit Messer ist das Logo „Springinsfeld“ der Gruppe Hellwach, in jeder ihrer Ausstellungen präsent. Z.B. auch im Dezember 2006 im Parlament im Rahmen der Auftaktveranstaltung der Europaratskampagne 2007 gegen häusliche Gewalt an Frauen auf Einladung der Nationalratspräsidentin Barbara Prammer.
    3. Durch die Kurzfristigkeit der Absage ist jede vermittelnde Tätigkeit, die wir angeboten hatten, unmöglich geworden.
    So wird der Ball unter den Frauen herumgeworfen, die sich eigentlich für eine weibliche Kraft gegen Gewalt an Frauen verbünden sollten.

    Die Frauen der AUF-Redaktion

    Sehr geehrte AUF-Frauen,

    bezugnehmend auf Ihr mail vom 4. November 2007 zu „Ministerielle Zensur eines Kunstprojekts“ möchte ich Sie gerne über folgendes informieren:
    Das Frauenministerium ist nicht Veranstalter der internationalen Tagung „10 Jahre österreichische Gewaltschutzgesetze“ sondern zählt gemeinsam mit dem Innenministerium zu den Sponsoren.
    Mitarbeiterinnen des Ministeriums haben den Veranstalterinnen auf ihre ausdrückliche Anfrage mitgeteilt, dass es die geplanten künstlerischen Installationen teilweise für problematisch hält. Und zwar jene, die – ohne inhaltliche Bewertung – missverständlich als Forderung aller an der Konferenz Beteiligten („wir fordern“) aufgefasst werden könnte. Und vor allem jene, die in eklatantem Widerspruch zum Inhalt der Tagung steht, nämlich sich deutlich gegen jede Form der Gewalt auszusprechen.
    Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang den Hinweis, dass keineswegs bloß eine abstrakte Figur sondern ganz gegenständlich ein Messer abgebildet ist.

    Die Freiheit der Kunst wird nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil: Die Ministerin unterstützt Künstlerinnen und fördert kritische Kunstprojekte. Auch sie hält künstlerische Auseinandersetzungen als ein wichtiges Mittel, gesellschaftliche Themen zu transportieren und die Diskussion darüber anzuregen. Wenn es um das Thema Gewalt geht ist ein besonders sensibler Umgang mit den Botschaften, die dabei vermittelt werden, geboten.

    Mit besten Grüßen
    Ilse König

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