Notizen und Aufzeichnungen aus Wien-Mariahilf
Ich hätte Theophilus niemals von der zersausten Frau und ihrer Harmlosigkeit erzählen dürfen!
Heute am Vormittag schob sie ihren vollgepackten Kinderwagen die Fügergasse entlang. In Windeseile war er auf einen Reifen, dann an einer Stange hochgeklettert und anschließend zwischen braunem und schwarzem Plüsch verschwunden. Ich vernahm noch ein „Juhu!“ aus der Mitte der Bärengruppe, schon war die Frau ums Eck in die Millergasse gebogen. Was dann passierte, jetzt noch zittern mir die Pfoten und flattert mein Herz, war eine Spritztour des Grauens. Der Kinderwagen schlingerte plötzlich führerlos die Gasse hinunter. Und ich raste hinterher. Nicht schon wieder Ärger, dachte ich und verfluchte das Gefälle zwischen Mariahilfer Straße und Wiental, das bewirkte, dass der Kinderwagen an Geschwindigkeit zulegte.
Obwohl er mich zwischen all den Teddybären bestimmt nicht hören konnte, brüllte ich: „Theophilus! Theophilus!“
Wie nur konnte der Wagen gestoppt werden? Der zischte vorbei am Minna-Lachs-Park, vorbei an der großen Platane am Oskar-Werner-Platz. Was folgte, war ein fürchterlicher Knall. Metall schrammte über Plastik. Irgendwo machte es „Ploing“, dann war es mucksmäuschenstill. Atemlos traf ich am Unglücksort ein. Ich schloss die Augen, ich war der Ohnmacht nahe.
Als ich sie wieder öffnete, bot sich ein, nun ja, eigenartiges Bild. Kurz vor der Liniengasse war der Kinderwagen in ein mobiles Klo-Häuschen gedonnert und so zum Stehen gekommen. Die blaue Klotüre war tief eingedellt, der Kinderwagen hatte sein linkes Vorderrad verloren und stand völlig schief. Als ich nach oben blickte, sah ich, wie zwei mir sehr bekannte, behaarte Ohren langsam zwischen den Plüschbären auftauchten. Dann kam ein Kopf zum Vorschein und schließlich zeigte sich der ganze Theophilus. Er stieg, zwar etwas ramponiert, jedoch völlig unverletzt, vom Kinderwagen herab, kletterte über eine Pommes-frites-Gabel, drei originalverpackte Karamellbonbons sowie einen Kugelschreiber mit rosaroten Federn – all das war durch den Aufprall aus dem Korb katapultiert worden –, lächelte seltsam und murmelte: „Hallo, mein Name ist …“
Dann fiel er um.
Nachtrag – 21.33 Uhr: Die Plüschbären dürften beim Aufprall das Schlimmste verhindert haben. Doktor van Keehs schaute am Abend vorbei und meinte, zwei Tage Bettruhe und Theophilus sei wieder fit. Hoffentlich, denn in zwei Tagen muss Theophilus – zu meinem großen Bedauern – wieder nach Hause fahren.
Fortsetzung folg am Dienstag, 29. Mär 2016.
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