Zum Tod von Yvette Z‘Graggen

Ausserhalb der Schweiz praktisch unbemerkt, ist die vielleicht wichtigste Schriftstellerin der französischsprachigen Schweiz, die Genferin Yvette Z’Graggen, am 16. April im Alter von 92 Jahren verstorben.

Ohne sich die Mühe zu geben, sich selbst dabei als besonders sympathisch erscheinen zu lassen, schildert sie ein etwas verwöhntes, junges Mädchen, das seine ersten literarischen Arbeiten verfasst, das einige flüchtige Liebschaften erlebt und aus dem ungeliebten Landdienst davon läuft, das aber trotz ihrer Arbeit beim Roten Kreuz und trotz des Urlaubs in Brissago, in dessen einstigem Grand Hotel jüdische Frauen untergebracht sind, zu dem erschütternden Schluss kommt, dass es von der systematischen Abweisung der jüdischen Flüchtlinge nichts, aber auch gar nichts mitbekommen hat.

Als Leser erleben wir dabei den zuweilen schmerzlichen Prozess des Sich-Erinnerns und des Be-Schreibens mit, wobei die persönlich-subjektive Perspektive des Mädchens Yvette durch die zeitlich korrespondierenden Artikel der von ihr abonnierten Tageszeitung „La Suisse“, in der die Behandlung der Flüchtlinge praktisch nicht erwähnt wird, und durch Ergebnisse der neueren historischen Forschung jeweils ergänzt wird.

Mit dieser Selbsterforschung stellt Z’Graggen eindrucksvoll ein Grundgefühl eines Teils der modernen Schweiz angesichts der privilegierten Lage ihres Landes in der Welt dar: »Wie ist es möglich, dass du von dem, was in deiner unmittelbaren Nähe passierte, nichts gewusst hast? Wie konnten 10’000 Menschen zurückgewiesen werden, ohne dass du es bemerktest? Wie lässt sich dein gutes Gewissen erklären?«

Das Thema der Beziehung zum deutschen Nachbarn wird in zahlreichen weiteren Werken der Autorin behandelt, so in „Matthias Berg“ – einer Familiensaga auf knappen 100 Seiten, in der eine junge Schweizerin nach Berlin reist, um ihren deutschen Grossvater aufzusuchen und dabei manches Familiengeheimnis aufdeckt.

Zum Werk Yvette Z’Graggens gehören auch Übersetzungen von Max Frisch und Anne-Marie Schwarzenbach ins Französische.

Peter Metz


Radio DRS-Beitrag zum Tod von Yvette Z’Graggen

Veröffentlichungen von Yvette Z’Graggen im Lenos Verlag

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