Menschenrechte und Kunst

Vor 65 Jahren, am 10. Dezember 1948, hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit der Resolution 217 A (III) die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet.

Der Verein webbrain widmete die Veranstaltungsreihe denkkunst/schreibkunst 2013 in Kooperation mit mel-art dieser Tatsache.

Im August 2013 wurde ein Aufruf zur Einreichung von Kurztexten jeglichen Genres veröffentlicht, die den Zusammenhang zwischen Kunst und Menschenrechten zum Thema haben.

Ein Text von Elisabeth Schöffl-Pöll ist in diesem Beitrag nachzulesen. Er wurden während der Abschlussveranstaltung am 23. Oktober 2013 von SchauspielerInnen vorgelesen.

Döllersheim – das unbekannte Mysterium

BesucherInnen des Festes der Menschenrrechte
Fest der Menschenrechte
Gegen alle Menschenrechte mussten im Jahr 1938 7500 Menschen aus 42 Ortschaften im Waldviertler „Döllersheimer Ländchen“ Haus, Hof, Wald und Gut verlassen, um einem Truppenübungsplatz unter Adolf Hitler zu weichen. Später erforschte man, dass Hitler damit seine fragwürdige Ahnengeschichte ausräumen wollte. Sogar die reife Ernte musste zurückgelassen werden! Das ganze Gelände wurde dem Erdboden gleichgemacht. Die Aussiedler mussten sich neue Bleiben suchen.

Ich selbst, als viertes Kind meiner Eltern, nahm das unsägliche Leid, das meine Eltern durch die Aussiedlung und Wiederansiedlung erlitten – meine Mutter war im sechsten Monat schwanger – auf meine kindlichen Schultern.

Das damalige Fahrzeug für die Suche nach einem neuen Bauernhaus war damals der
Pferdewagen. Mit ihm fuhr mein Vater nun – meine Mutter war ja, wie gesagt, schwanger – alleine, um Erkundigungen über Ersatzbauernhöfe einzuholen. Aus Mitleid trat schließlich eine Verwandte vom Kauf zurück und überließ ihr Haus meinem Vater und unserer Familie, weitab der ehemaligen Heimat und im Weinviertel gelegen.

Fest der Menschenrechte
Fest der Menschenrechte. Elisabeth Schöffl-Pöll (dritte von rechts)
Nun war die Frist für die Aussiedlung bereits im Ablaufen. Die schönen alten Stilmöbel wurden auf Lastwagen gepackt und die Habseligkeiten dazu. So ging es Wagen um Wagen auf holprigen Straßen, die so manchem schönen Möbelstück zusetzten, dem 80 km entfernten neuen „Heimatort“ zu. Dort hatten sich meine Waldviertler Eltern erst mühsam in die Wein- und Kellerarbeit einzuschulen.

Jahre später mussten meine Eltern durch einen Rückstellungsantrag – es hieß fälschlicherweise, das Haus wäre ein Zwangsverkauf gewesen, da der Besitzer Halbjude war – ein zweites Mal die Geldmittel für den Hof aufbringen. Mein Vater und mein Onkel, der bei uns lebte und für die Pferde zuständig war, erkrankten an den Sorgen, die die Aussiedlung mit sich brachten, und starben relativ jung, ein Schicksalsschlag jagte den anderen.

Meine Mutter war völlig mit ihren Nerven am Ende. Ich selbst hatte auf Kosten einer weiteren Ausbildung bei der Pflege des mittlerweile schwer behinderten Vaters mithelfen müssen. Die Krankheiten der beiden Männer waren eine Folge des traurigen Heimatverlustes.

Ich konnte nur durch Literatur diese Schicksalsgeschichte einigermaßen aufarbeiten…

Elisabeth Schöffl-Pöll

Schreibe einen Kommentar